Eishockey-Bundestrainer Cortina: „Es geht um die Ehre“

Berlin (dpa) - Nach den Pleiten bei der WM vor einem Jahr und der verpassten Olympia-Qualifikation beim Heim-Turnier in Bietigheim packt Eishockey-Bundestrainer Pat Cortina seine Spieler bei der Ehre.

„Wir müssen zeigen, wie es um das deutsche Eishockey bestellt ist“, betonte der Coach in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Ohne unbedingten Willen können laut Cortina die Ziele bei der in dieser Woche beginnenden Weltmeisterschaft - in erster Linie geht es um den Klassenverbleib - aber nicht erreicht werden. Seine Erfolgs-Vorgaben an die Mannschaft seien „keine Hexerei“.

Mit welchem Ziel fliegen Sie nach Helsinki?

Cortina: „Es klingt simpel, aber sowohl die vergangene WM als auch die Olympia-Qualifikation haben wir in dem Wissen beendet, nicht unser bestes Eishockey gezeigt zu haben. Da war mehr drin. Dieses Mal wollen wir am Ende zufrieden sein mit unserem Auftreten. Wir wollen das Turnier mit gutem Gefühl und der Gewissheit verlassen, dass wir zeigen konnten, wie deutsches Eishockey aussieht.“

Und unter dem Strich: Wie groß ist die Gefahr abzusteigen?

Cortina: „Wir können nicht garantieren, dass das nicht passieren wird. Wenn wir nicht bereit sind, uns auf den Kampf einzulassen, dann werden wir unser Ziel nicht erreichen. Wir dürfen niemanden unterschätzen. Das haben wir bei der Olympia-Qualifikation schon falsch gemacht, und ich rede nicht von den Spielen gegen Italien oder Österreich, sondern dem Niederlande-Spiel. Wir sind schwach gestartet und dann ist es plötzlich schwierig geworden.“

In Helsinki warten nun aber wesentlich profiliertere Nationen, Finnland und Russland etwa gleich zu Beginn der Vorrunde.

Cortina: „Wir müssen geduldig sein. Diese Spiele werden nicht unser Turnier entscheiden, sondern welche Schlüsse wir aus den Matches ziehen. Dann erst werden wir sehen, wohin das Turnier für uns geht. Wenn wir positiv auftreten, dürften die nächsten Spiele einfacher werden. Wir müssen richtig reagieren, egal was passiert. Das ist der Schlüssel. Wenn du glaubst, es wird einfach, gerätst du in Schwierigkeiten. Und wenn du schon denkst, es ist aus, dann ebenso.“

Ist die verpasste Olympia-Qualifikation eher Ballast oder zusätzlich Motivation?

Cortina: „Wir müssen zeigen, wie es um das deutsche Eishockey bestellt ist. Der Gedanke an Bietigheim kann Motivation sein, wenn wir aus den Erfahrungen lernen.“

Welche Rolle spielen Ehre und Stolz bei der Nationalmannschaft?

Cortina: „Darum muss es gehen! Die Spieler tun das nicht für das Geld. Sie werden nicht bezahlt. Es geht um die Ehre. Aber auch um Stolz und Dankbarkeit. Wir verdienen Geld damit, etwas zu tun, was wir lieben. Es ist wichtig, dass wir uns das bewusst machen.“

wie ist vor diesem Hintergrund das Kommen der beiden NHL-Stars Christian Ehrhoff und Marcel Goc zu bewerten?

Cortina: „Es bestätigt das, was wir über sie denken: Das sind außergewöhnliche Menschen, für die das deutsche Eishockey sehr wichtig ist. Die brauchen das deutsche Eishockey nicht mehr, sind aber dankbar dafür, was es ihnen ermöglicht hat.“

Wie haben sie reagiert, als ihnen vor allem Ehrhoff zusagte?

Cortina: „Ich bin da sehr emotional, und das hat mich extrem happy gemacht. Ich freue mich, mit jemandem seines Kaliber arbeiten zu können. Er ist ein absoluter Profi. Vor allem wird er dem Team und dem deutschen Eishockey in einer schwierigen Zeit sehr helfen.“

Hatten sie mit den beiden Nordamerika-Stars gerechnet?

Cortina: „Beide haben von Beginn an klargestellt - sollten sie die NHL-Playoffs verpassen und fit sein - dass sie bereit und motiviert sind, Deutschland zu helfen. Das sagt eigentlich viel über ihren Charakter aus. Sie spielen für Deutschland, für die Teamkollegen, für das deutsche Eishockey. Das macht die ganze Sache noch besonderer.“

In der Vorbereitung sprang nur ein Sieg in acht Testspielen heraus, am Ende steigerte sich das Team. Worauf wird es bei der WM ankommen?

Cortina: „Unsere Philosophie ist: Wir müssen eine Mannschaft sein, die sich über den Kampf definiert, die sich reinhängt, die für jeden unangenehm zu spielen ist. Um das zu schaffen, muss man physisch richtig gut drauf sein und defensiv sicher stehen. In der Abwehr waren die vielen verletzungsbedingten Absagen schon bitter, Spieler wie Christoph Schubert oder Denis Reul hätte uns mit ihren massiven Körpern und ihrer Erfahrung sicherlich geholfen.“

Sie haben in der Vorbereitung drei Wochen hart trainieren lassen, mit zwei schweren Schichten täglich. Was bringt die Schinderei?

Cortina: „Wir müssen körperlich und geistig topfit sein, darum haben wir die Spieler an ihre Grenzen gebracht. Sie haben sich beschwert, wollten irgendwann nicht mehr. Aber das musste sein. Bei der WM treffen wir auf die Russen, die uns extrem fordern werden, und einen Tag später steht schon das Match gegen die Slowakei an. Wir werden nach dem Russland-Spiel nicht bei 100 Prozent sein, deshalb müssen wir wissen, wie wir uns dennoch bestmöglich vorbereiten können.“

Sie predigen immer wieder „deutsche Tugenden“. Wie weit entfernt ist ihre Mannschaft noch von der Idealvorstellung des Trainers?

Cortina: „Hart spielen, defensiv gut stehen, einfach spielen, den Puck zum Tor bringen, so oft schießen wie möglich, mit dem Körper nachgehen: So werden Spiele auf diesem Niveau entschieden. Bring den Puck zum Tor und geh hinterher! Das ist keine Hexerei.“

Wie groß ist nach den Enttäuschungen vor einem Jahr und vor allem im Februar der Druck, unbedingt gewinnen zu müssen?

Cortina: „Mehr noch als Druck würde ich von Verantwortung sprechen. Als Nationaltrainer hat man dafür zu sorgen, dass das Eishockey in Deutschland Erfolg hat. Die Verantwortung müssen alle spüren, Coach wie Spieler. Da geht es nicht unbedingt um Ergebnisse, sondern um das Auftreten. Wir müssen das Beste aus dem machen, was wir können.“

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