Debatten in DEL um Reizthema Kopfverletzungen

Berlin (dpa) - Stefan Ustorf hat Angst. Nicht vor einem Gegner auf dem Eis, nicht vor einer Niederlage mit seinen Eisbären Berlin, und noch nicht einmal vor dem frühzeitigen Ende seiner Karriere. Ustorf weiß nicht, wann und ob er wieder gesund wird.

Am 6. Dezember hatte er im Spiel gegen die Hannover Scorpions eine Gehirnerschütterung erlitten, durch einen Check gegen die Bande. Noch heute leidet der 38-Jährige täglich an schweren Kopfschmerzen. „Es kann passieren, dass es nicht besser wird“, sagte er in einem Interview mit dem rbb. Ustorf ist nicht der einzige in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), der momentan wegen einer Kopfverletzung aussetzen muss.

Ligaweit knapp ein Dutzend Spieler sind wegen Blessuren an Kopf oder Nacken zur Zwangspause verdammt, allein bei den Eisbären leiden neben Ustorf noch Constantin Braun, André Rankel, Tyson Mulock und Jens Baxmann an den Folgen von Gehirnerschütterungen. Coach Don Jackson ist „mächtig sauer“ - nicht nur wegen der Ausfälle, sondern weil Checks mit Verletzungsfolgen nicht ausreichend geahnt würden.

Das internationale Eishockey ist spätestens seit dieser Saison für das Reizthema Kopfverletzungen sensibilisiert. So fehlen in der NHL auf dem Eis gleich reihenweise Stars wie Sidney Crosby. Die Bosse der nordamerikanischen Eliteliga reagierten und führten lange Sperren für gefährliche Checks ein. Eine ähnliche Verschärfung der Strafen fordern auch DEL-Teammanager, etwa Berlins Peter John Lee.

Bei Holger Gerstberger, dem Schiedsrichter-Beauftragten der DEL, rennt er dabei offene Türen ein. „Bei uns herrscht eine sehr hohe Sensibilität bei Checks gegen Kopf oder Nacken und generell bei gefährlichen Situationen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Im Vergleich zur NHL sind sogar wir es gewesen, die das Regelbuch des Weltverbandes viel konsequenter angepasst haben, und das 2005, als viele Beteiligten das Thema noch gar nicht wahrhaben wollten.“

Die Ursachen für Verletzungen nach Checks sind ohnehin nicht in der Leistung der Schiedsrichter, sondern in den Veränderungen des Spiels zu suchen. Eishockey „wird immer rasanter und athletischer“, erkannte Jens Ziesche, Teamarzt der Eisbären. „Dabei bleiben Treffer am Kopf nicht aus.“ Der Mediziner fordert, beim Nachwuchs anzusetzen. Junge Spieler müssten lernen, fair in die Zweikämpfe zu gehen und sich richtig vor Attacken zu schützen. Denn: „Man kann Eishockey doch nicht zur kontaktlosen Sportart machen. Und auch dann würden sich Stürze aufs Eis oder in die Bande nicht verhindern lassen.“

Mitte Februar will Peter John Lee die Problematik bei einer Gesellschafterversammlung der DEL-Clubs ansprechen. „Grundsätzlich ist es richtig, über solche Themen zu sprechen“, findet auch der Schiedsrichter-Funktionär Gerstberger, „denn schwere Verletzung haben in der jüngsten Vergangenheit zugenommen“.

Etwa zur selben Zeit geht es sportlich in die entscheidende Phase der DEL-Hauptrunde. Der fünfmalige Meister Eisbären muss dabei wohl auf Kapitän Stefan Ustorf verzichten - nach aktuellem Stand kann er seinen Teamkollegen noch nicht einmal in der Halle zujubeln.

Ein Arzt in den USA hatte festgestellt, dass Ustorfs Gehirn seit dem verhängnisvollen Zusammenprall im Dezember Informationen aus den Augen nicht richtig verarbeiten kann. „Er hat mir das so erklärt, dass, sobald ich den Kopf bewege, ich nichts mehr richtig erkenne“, sagte Ustorf der „Eishockey News“ (Dienstag). Als er vor einigen Wochen ein Spiel als Zuschauer besuchte, wurde ihm sofort schlecht. An eine Fortführung seiner Karriere verschwendet er momentan keinen Gedanken. „Als erstes steht die Gesundheit im Vordergrund“, sagt er.

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