Eishockey-WM DEB-Trainer Sturm: „Wir sind noch nicht am Ende“

Die Heim-WM soll laut Bundestrainer Sturm der nächste Schritt in der Entwicklung sein — für die Nationalmannschaft und das deutsche Eishockey insgesamt.

Eishockey-WM: DEB-Trainer Sturm: „Wir sind noch nicht am Ende“
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Köln. Dennis Seidenberg brauchte einen Moment, ehe er sich eine Antwort zurechtgelegt hatte. Und das nicht etwa, weil der kräftige Nationalspieler seit 15 Jahren in den USA lebt und sich an Interviews in seiner Muttersprache erst wieder gewöhnen muss. Vielmehr wollte er nichts Falsches sagen auf die Frage, wie sich das deutsche Eishockey aus seiner Sicht entwickelt habe. „Früher waren wir nur gradlinig“, sagte der 34-Jährige nach einiger Zeit, „heute haben wir ein paar Spieler, die technisch sehr begabt sind. Das Kämpferische haben wir immer. Und wenn wir beides zusammenbringen, dann wird es auch was.“

Dass es etwas wird bei der am Freitag beginnenden Heim-WM in Köln, das könnte vor allem an Seidenberg selbst liegen. Neben Kapitän Christian Ehrhoff (Kölner Haie), Stürmer Tobias Rieder (Arizona Coyotes) und Torwart Thomas Greiss, der wie Seidenberg bei den New York Islanders in der NHL spielt, ist er einer der Eckpfeiler im Team von Bundestrainer Marco Sturm. Und eins der Symbole, warum es seit zwei Jahren wieder aufwärts geht mit der Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes. Jahrelang machten die Hochbezahlten aus Übersee ja einen Bogen um die Nationalmannschaft. Erst seit der Ex-NHLStar hinter der Bande steht, hat sich das gewandelt: Prompt erreichte das DEB-Team bei Sturms WM-Premiere im Vorjahr zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder das Viertelfinale.

Dahin soll es auch dieses Mal gehen. Trotz des schweren Auftakts gegen die USA (Freitag, 20.15 Uhr), gegen Schweden (Samstag, 20.15 Uhr) und gegen Russland (Montag, 16.15 Uhr) liebäugelt manch einer gar mit dem Halbfinale wie bei der Heim-WM 2010. Sturm selbst will sich auf kein Ziel festlegen, es gehe darum, sich insgesamt weiterzuentwickeln. „Von Woche für Woche, von Spiel zu Spiel, von Turnier zu Turnier. Wir sind noch nicht am Ende“, kündigt der 38-Jährige an.

Umso ärgerlicher ist es, dass er (vorerst) auf Leon Draisaitl und Tom Kühnhackl verzichten muss. Die beiden NHL-Spieler werden in den Play-offs gebraucht. Sturm hat zwar Plätze im Kader freigehalten, erreichen die beiden Deutschen in Übersee aber das Halboder gar das Finale, steigt die Heim-WM komplette ohne sie. Was das DEB-Team arg schwächen würde. Und was deutlich macht, wie wackelig der aktuelle Aufschwung doch ist.

Der Blick in die Zukunft verheißt keine Besserung: Tritt die Generation um Seidenberg, Ehrhoff oder DEL-Topscorer Patrick Reimer ab, wird es noch enger. Talente wie Frederik Tiffels oder Dominik Kahun sind Ausnahmen. Die U20 spielt nur noch bei der zweitklassigen B-WM, die U18 vermied gar nur hauchdünn den Abstieg in die drittklassige C-Gruppe.

Das weiß auch DEB-Präsident Franz Reindl, der bei seiner Amtsübernahme vor drei Jahren angekündigt hatte, 2026 um Medaillen spielen zu wollen. Dafür hat sein Präsidium einiges in die Wege geleitet, professionalisiert und Strukturen geschaffen. Doch die Fehler der Vergangenheit — die schlechte Jugendarbeit, die Machtkämpfe in den Landesverbänden, der jahrelange Streit zwischen Verband und Liga — wiegen immer noch schwer.

Reindl stellte dieser Tage ein neues Projekt vor. „Wir sind Eishockey“ heißt es und soll den Sport insgesamt fördern. Herzstück ist eine gleichnamige Internetseite, auf der der Verband und die beiden Profiligen DEL und DEL2 den Sport sowie sämtliche Vereine vorstellen. Das helfe, „unseren doch schwierig zu erreichenden Sport vielen Kindern und vielen Jugendlichen schnell näher zu bringen“. Zudem sollen die WM-Einnahmen keine alten Lücken mehr stopfen, sondern in die Zukunft des Eishockeys fließen.

Das wird wohl auch nötig sein, um Schritt zu halten. Selbst kleine Nationen wie Dänemark oder Weißrussland ziehen im Jugendbereich vorbei, von den großen ganz zu schweigen. „Wir müssen etwas tun. Wir müssen die Kids begeistern, dass sie wieder in die Eishallen kommen“, sagt Marco Sturm. Der erste Schritt dahin wäre eine erfolgreiche Heim-WM.

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