Eishockey: Mehr Tempo, größere Gefahr

Zahlreiche Spieler fallen nach harten Checks aus. Allein in der NHL sind es mehr als 30 Profis.

Düsseldorf. Stefan Ustorf hat Angst. Nicht vor einem Gegner auf dem Eis und nicht vor einer Niederlage mit den Eisbären Berlin. Ustorf weiß nicht, wann und ob er wieder gesund wird. Anfang Dezember hatte er im Spiel gegen Hannover eine Gehirnerschütterung erlitten, durch einen Check gegen die Bande. Noch heute leidet der 38-Jährige an schweren Kopfschmerzen. „Es kann passieren, dass es nicht besser wird“, sagt er. Ustorf ist nicht der einzige in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), der momentan wegen einer Kopfverletzung aussetzt.

Ligaweit sind knapp ein Dutzend Spieler wegen Blessuren an Kopf oder Nacken zur Zwangspause verdammt — allein in Berlin sind es fünf. Beileibe kein reines DEL-Phänomen: Gehirnerschütterungen sind derzeit das Thema im internationalen Eishockey. Allein in der nordamerikanischen Eliteliga NHL fehlen reihenweise Stars. Kanadas Volksheld Sidney Crosby (siehe Kasten), Philadelphias Kapitän Chris Pronger und Washingston Starcenter Nicklas Bäckström sind nur die prominentesten Namen. Insgesamt fehlen zur Mitte der Saison um die 30 NHL-Spieler wegen Gehirnerschütterungen.

Die Bosse der Topliga reagierten und führten lange Sperren für gefährliche Checks ein. Eine ähnliche Verschärfung der Strafen fordern auch DEL-Teammanager, etwa der Ex-DEG-Star und heutige Eisbären-Manager Peter John Lee. Mitte Februar will Lee die Problematik bei einer Gesellschafterversammlung der DEL-Klubs ansprechen. „Grundsätzlich ist es richtig, über solche Themen zu sprechen“, findet auch DEL-Schiedsrichter-Beauftragter Holger Gerstberger, „denn schwere Verletzung haben in der jüngsten Vergangenheit zugenommen“.

Ob das Problem aber mit härteren Strafen für die „Täter“ in den Griff zu bekommen ist, scheint fraglich. Die Gründe sind eher in den Regeländerungen der vergangenen Jahre zu finden. Um den Sport für Fans und somit für Sponsoren attraktiver zu machen, fiel beispielsweise das Zwei-Linien-Pass-Verbot. Dadurch wurde das Spiel zweifelsohne (noch) schneller und spektakulärer, aber eben auch gefährlicher, da die Spieler seit dem mit höherem Tempo ineinanderrasen.

Weil das Eishockey aber außerhalb Skandinaviens, Osteuropas und Kanadas mit zahlreichen anderen Sportarten um Aufmerksamkeit und Geld konkurrieren muss, scheint ein erneutes Verbot der langen Pässe, die schnelle Gegenstöße und somit mehr Tore ermöglichen, unrealistisch.

Trotzdem sieht sich der Weltverband IIHF dieser Tage zum Handeln gezwungen und will noch einen Schritt weiter gehen. Nun stehen sogar Einschränkungen für Bodychecks zur Debatte. Diese sollen — einem Vorschlag aus Finnland folgend — nur noch in der jeweiligen Verteidigungszone erlaubt sein. Doch würde sich nahezu körperloses Eishockey durchsetzen? Weltverbands-Vize Murray Costello aus Kanada kann sich das in Ansätzen vorstellen: „Wir müssen das Eishockey in allen Aspekten neu denken“.

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