Interview Dieter Nuhr: „Olympia? Nur noch mit Diktator!“

Kabarettist Dieter Nuhr über Blatter und die Familie Corleone, Pep Guardiolas Abschied und englische Spiele um 2 Uhr nachts - für das chinesische TV.

Dieter Nuhr ist Tennisspieler, Fußball-Fan - und hat eine Meinung. Selbst zu Fortuna Düsseldorf. Im Interview mit der WZ verrät er, welche.

Dieter Nuhr ist Tennisspieler, Fußball-Fan - und hat eine Meinung. Selbst zu Fortuna Düsseldorf. Im Interview mit der WZ verrät er, welche.

Foto: dpa

Düsseldorf. DFB-Skandal, Fifa-Zusammenbruch, Hamburgs Olympia-Pleite und Pep Guardiolas Abschied. Zeit, einen guten Teil des Sportjahrs 2015 zu ordnen und auch nach vorne zu schauen. Wir machen das mit Dieter Nuhr. Der Kabarettist aus Ratingen ist Tennisspieler, Fußball-Fan - und hat eine Meinung. Selbst zu Fortuna Düsseldorf.

Herr Nuhr, acht Jahre Sperre für Blatter und Platini, auch Niersbach ist Geschichte. 2015 ist viel passiert. Wen werden Sie wirklich vermissen?
Dieter Nuhr:
Helmut Schmidt. Der war ja gerade in dem Alter, in dem man im Vatikan oder bei der Fifa höhere Ämter anstrebt. Er wird fehlen. Blatter wird was anderes finden. Vielleicht nimmt ihn die Familie Corleone in Palermo auf. Oder er kriegt eine Hauptrolle in „The Walking Dead".

Wie bewerten Sie die Rolle von Franz Beckenbauer in der Affäre um die WM 2006. Können wir dem Kaiser noch einmal verzeihen?
Nuhr:
Dem Kaiser wird grundsätzlich alles verziehen. Ich war übrigens dieses Jahr in Japan, da steht der Kaiser über dem Gesetz. Man hätte dem Franz sagen müssen, dass das bei uns anders ist. Angeblich hat er ja alles unterschrieben, was man ihm hingelegt hat. Er ist halt ein freundlicher Mensch. Wenn einer ein Autogramm will, dann kriegt er es auch.

Der DFB hat bald einen neuen Präsidenten, vermutlich ist das CDU-Politiker Reinhard Grindel. Alle Affären damit Geschichte?
Nuhr:
Die Zeit vergeht. Was gestern war, wird automatisch Geschichte. Herr Grindel ist mir übrigens unbekannt. Das ist schon mal gut. Denn alle, die man bei den Fußballverbänden kennt, will man nicht kennen.

Weiter geht es in Sachen Sportpolitik: Hamburg soll Olympia nicht wollen, sagt der Bürger. Was sagen Sie?
Nuhr:
In Deutschland wird man bald nur noch Veranstaltungen durchführen können, denen auch die Bürgerinitiative zur Erhaltung des Röhrenbreitlings, die örtliche autonome Zelle und der Dachverband der nationalen Umnebelten zustimmt. Es läuft darauf hinaus, dass Olympische Spiele in Zukunft nur noch da stattfinden, wo Autokraten, Diktatoren oder Erdölbohrer mit Geldscheinen schmeißen. Ich werde dann lieber alten Leuten beim Schach im Park zuschauen.

Sollte sich Deutschland überhaupt noch um große Events wie Olympia, WM oder EM bewerben? Oder können sich andere besser auf IOC, Fifa oder Uefa einstellen?
Nuhr:
Das wird erst wieder passieren wenn auch wir wieder einen Diktator haben. Das IOC schwärmt ja noch heute von 1936. Vielleicht findet aber auch jemand Erdöl im Erzgebirge. Dann kriegen wir einen eigenen Öl-Mogul, der das Volk mit Brot und Spielen beschenkt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Nun zum Sport: Jetzt geht uns auch noch Pep Guardiola abhanden. Warum eigentlich genau?
Nuhr:
Schätze, er will in eine Liga, in der die Meisterschaft nicht schon zum Herbstende entschieden ist. Ich verstehe Pep. Für die 20 Millionen im Jahr, die da im Raum stehen, kann man auch mal den Arbeitsplatz wechseln, da sollte auch der Fußballfan Verständnis haben, der für so einen Betrag schon mal ein paar Millionen Jahre Taxi fahren muss.

Was bleibt von Guardiola?
Nuhr:
Wahrscheinlich ziemlich viele verbrauchte Rasierklingen. Er hatte die für Damen attraktivste Glatze aller Zeiten, der Stil in Person. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Spieler heute alle komische Papageienfrisuren tragen müssen, damit die Trainer zur Stilikone werden können. Das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der Führerkult im Sport wieder fußfasst.

Drei Wünsche frei: Was würden Sie am Profifußball verändern?
Nuhr:
Die Frisuren! Die Frisuren! Die Frisuren!

Welcher Spieler hat Ihnen warum am meisten Freude in der Hinrunde bereitet?
Nuhr:
Da habe ich jetzt gar keinen Bestimmten im Auge. Ich komme ja aus Düsseldorf. Da hat man in der Hinrunde immer beste Laune gehabt, wenn man auf den Rhein oder auf die Gegentribüne geschaut hat. Für den Fußballfan ist in Düsseldorf mal wieder fast durchgehend Weggucken Pflicht. Am meisten Spaß haben mir, auch wenn man das als Rheinländer nur ungern zugibt, die neuen Außenspieler des FC Bayern gemacht. Es ist lustig mitanzusehen, wie sie ihre Gegenspieler auf einem Bierdeckel schwindelig spielen, um sie anschließend verwirrt stehen zu lassen. Warum Coman und Douglas Costa nicht zu Fortuna gekommen sind, ist mir heute noch ein Rätsel.

Waren Sie schnell überzeugt, dass André Schubert der richtige Nachfolger für Lucien Favre in Mönchengladbach ist?
Nuhr:
Schnell nicht. Aber nach den ersten sieben Siegen hatte man dann doch recht flott den Eindruck, dass der Trainerwechsel vielleicht etwas gebracht haben könnte... Als die Cheftrainer-Unterschrift noch nicht trocken war, kam dann die erste Niederlage. Bin gespannt wie es weitergeht.

Was hat Thomas Tuchel, was Jürgen Klopp nicht mehr hatte?
Nuhr:
Und wieso funktioniert Klopp in England, Schweinsteiger aber nicht wirklich? Ich glaube, dass Dortmund jetzt auch mit Klopp wieder ganz oben stehen würde. Aber verschlechtert hat sich Dortmund offenbar nicht, was den Trainer angeht. Tuchel bringt glaube ich einen ähnlichen Ehrgeiz mit wie Klopp. Er wirkt nach Niederlagen immer so, als würde am liebsten eine Katze auswringen. So muss es sein im Sport. Schweinsteiger ist Triplesieger und Weltmeister, da verbietet sich jede Kritik. Wenn Van Gaal ihn nicht mehr will, hat er das Recht, als verdienter Sportler von einem Verein wie Fortuna aufgenommen zu werden. Herzlich willkommen!

England sammelt immer mehr Geld ein, die deutsche Liga hechelt hinterher. Was tun, um hierzulande noch mehr Geld aus dem TV Vertrag zu generieren?
Nuhr:
Vielleicht spenden wir Deutsche einfach zu wenig für unsere Fußballer. Wenn man bedenkt, was Unicef oder die SOS-Kinderdörfer so einsammeln, dann fragt man sich schon, ob man diese Gelder nicht besser für den Erhalt von Arbeitsplätzen von Jungmillionären in der Bundesliga einsetzen könnte. Ich habe allerdings schon Kinderdörfer beispielsweise im Sudan oder im Libanon besucht und fand, dass das Geld dort auch gut aufgehoben war. Es kann passieren, dass der Sinn des Fußballs in ein paar Jahren komplett darauf reduziert wird, Gelder aus Asien einzusammeln. Wenn dann die englische Liga um 2:00 Uhr nachts angepfiffen wird, weil das besser in die Planung des chinesischen Fernsehens passt, dann ist vielleicht der Punkt erreicht, an dem man sich mal für die rumänische Liga interessieren sollte.

Was bekommt Thomas Müller nach seiner Vertragsverlängerung beim FC Bayern? Und was verdient er?
Nuhr:
Ich bin über das Gehaltsgefüge bei den Bayern gar nicht so genau informiert, vermute aber, dass Thomas über viele Jahre hinweg feste Nahrung zu sich nehmen kann. Das sei ihm gegönnt, er ist ein Ausnahmekicker. Neid ist da grundsätzlich nicht angebracht. Er verdient das Geld, weil er es wieder einspielt. Millionen haben Freude daran, ihm beim Spielen zuzusehen, und auf der Welt gibt es nur wenige wie ihn. Warum sollte er also nicht einen anständigen Teil der Millionen, die er generiert, selbst behalten dürfen?

Was macht das mit Ihnen?
Nuhr:
Nix. Alles gut. Mir geht’s ja auch ganz prima.

Letzte Frage: Was macht die Entwicklung von Fortuna Düsseldorf mit Ihnen? Alles richtig gemacht in den vergangenen Jahren?
Nuhr:
Ich betrachte diese Frage als Provokation und verzichte darauf, sie zu beantworten. Ich finde, ein Thema wie Fortuna muss man nicht in der Weihnachtszeit besprechen. Um Weihnachten rum geht es um neutrale Themen wie unbefleckte Empfängnis oder Tannenbaumentsorgung, also Dinge, die vom Spaßfaktor her erheblich interessanter sind als das örtliche Profiteam.

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