Diegos Ruhm verblasst

Die Wandlung von Werder Bremens Brasilianer vom Musterprofi zum Schlagzeilenstar.

Düsseldorf. Sogar Platz eins sei noch möglich, sagte Diego trotzig nach missratener Hinrunde seiner Bremer Mannschaft in der Fußball-Bundesliga. Was vor vier Wochen als sportlich ambitioniert galt, befördert den Brasilianer nun unfreiwillig in den Mittelpunkt des Boulevards. Denn der einstige Musterprofi mutiert immer mehr zum Schlagzeilenstar.

Die jüngste Erkenntnis des 23 Jahre alten Fußballprofis nach seiner Alkoholfahrt durch die Bremer Innenstadt erheitert nicht mal mehr die Bremer Verantwortlichen. Der Kellner habe Mitschuld, ist sich Diego sicher. "Er hat manchmal nachgeschenkt, obwohl ich das Glas noch nicht ausgetrunken hatte", sagte der Brasilianer. Bei einem Essen mit Freunden habe er natürlich nicht darüber Buch geführt, wie viel Wein er getrunken habe.

Es war jedenfalls so viel, dass er bei einer rasanten Autofahrt eine rote Ampel ignoriert haben soll. Deshalb verfolgten drei Polizeiautos Diegos Touareg. Das Ergebnis einer Alkoholkontrolle soll eine Blutalkoholkonzentration von 0,8Promille gewesen sein. Bremens Manager Klaus Allofs müht sich nachhaltig, die Wogen um seinen Spielmacher zu glätten. Erstes Indiz: Der Verein brummt ihm keine Strafe auf. Begründung: Die Alkoholfahrt war "Teil seines Privatlebens." Gleichwohl betonte Allofs: "Wir haben uns nicht über diese Schlagzeilen gefreut und heißen sein Vorgehen nicht gut."

Die erneute mediale Aufmerksamkeit kommt dem Manager und Werder Bremen gar nicht gelegen. Denn die Hanseaten schleppen ein Problem mit der Disziplin ihres Personals mit, insbesondere deren Verfehlungen.

Der Vorlauf zu Diegos mittlerweile unrühmlichen Rolle begann bereits im Sommer. Im Juli reiste er ohne Erlaubnis seines Vereins zu den Olympischen Spielen nach China. Nach seiner Rückkehr erschien er mehrmals zu spät bei Krisensitzungen, benutzt entgegen der Vorschrift nicht immer seinen Dienstwagen. Im Dezember machte das Foto von Diego als der "Würger der Liga" die Runde. Der Brasilianer ging dem Karlsruher Christian Eichner an die Gurgel. Der DFB brummt ihm eine Sperre von vier Spielen auf. "Ich muss lernen, meine Emotionen besser unter Kontrolle zu behalten", sagte er reumütig. Schließlich breitete der Boulevard eine angebliche Affäre mit der Popsängerin Sarah Connor genüsslich aus.

Manager Allofs betont zwar, der neuerliche Vorfall um Diego habe "nichts mit der Debatte um Disziplin in der Mannschaft zu tun." Das zumindest erscheint gewagt. Immerhin flogen in der Hinrunde Mesut Özil und Claudio Pizarro wegen Tätlichkeiten vom Platz. Torsten Frings ereilte erst vor wenigen Tagen im Testspiel im Trainingslager der Platzverweis wegen Schiedsrichterbeleidigung.

Dabei gilt Bremen seit beinahe drei Jahrzehnten unter den Trainer-Ikonen Otto Rehhagel und Thomas Schaaf als Hort friedliebender Glückseligkeit im ansonsten skandalumwitterten Bundesligageschäft. Allofs hat als eine Ursache für die negative Berichterstattung über Diego die veränderte Mediensituation im beschaulichen Bremen ausgemacht: "Die Spieler stehen seit längerem unter größerer Beobachtung."

Diego, der seit 2006 bei Bremen unter Vertrag steht, verzückte in den beiden ersten Jahren an der Weser Fans und Fachleute mit seinen Fußballkünsten und galt als vorzeigbarer Gegenentwurf zu den exzentrischen Brasilianern der Liga. Ob Herthas Marcelinho und Alex Alves, die Schalker Ailton und Rafinha, oder auch Carlos Alberto, mit dessen Verpflichtung im Sommer 2007 die unruhigen Zeiten in Bremen sich ihren Bann brachen. Werders teuerster Transfer der Vereinsgeschichte war ein Mega-Flop - sportlich und finanziell. In Bremen könnten sie bald auch die Geduld mit Diego verlieren. Noch stützen die Verantwortlichen ihren wertvollsten Spieler.

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