Die große Baustelle der Nationalelf ist die Defensive

Nach dem 1:2 gegen Frankreich setzt Löw voll auf die direkte EM-Vorbereitung.

Bremen. Joachim Löw wirkte nicht unglücklich. Das 1:2 gegen Frankreich in Bremen hat der deutschen Fußball-Nationalmannschaft rechtzeitig zur heißen Phase vor der Europameisterschaft im Juni die Fallhöhe genommen.

EM-Topfavorit? Nein. EM-Mitfavorit: Ja. Wenn auch die Aussagekraft ob der vielen Verletzten im DFB-Kader dünn blieb, so offenbarte das Testspiel gegen die wieder erstarkten Franzosen, dass dem Bundestrainer noch Arbeit bleibt.

Der Towart: Manuel Neuer ist gesetzt, Tim Wiese wird auch bei der EM die Nummer zwei sein. Dahinter ist das Rennen eröffnet. Der Mönchengladbacher Marc-Andre ter Stegen debütierte am Mittwoch in der U 21 — und darf in Sachen A-Team noch hoffen.

„Er hat uns bei allen Beobachtungen überzeugt“, sagte Löw noch in Bremen. Ron-Robert Zieler ist als Nummer drei der Wackelkandidat. Bedeutung hat die Nominierung ohnehin nur für die Zukunft: Die Nummer drei hat abgesehen von Hans-Jörg Butts Einsatz gegen Uruguay im Spiel um Platz drei bei der WM 2010 (nach Wieses Verletzung) nie eine Rolle gespielt.

Die Abwehr: Ist echte Problemzone. Allein: Löw fehlen Kandidaten, die das Problem lösen könnten. Auf der linken Abwehrseite ist Philipp Lahm (28) ohne Alternative. Dennis Aogo vom HSV hat das in Bremen nachgewiesen, mit seiner Leistung könnte sich der 25-Jährige aus dem EM-Kader gespielt haben. „Er hat ein bisschen unglücklich agiert“, befand Löw, der gerne an Aogo festhalten würde. „Er kann noch mehr leisten.“

Die Chancen von Dortmunds Marcel Schmelzer als Lahm-Ersatz erhöht das kaum. In der Nationalelf hat der 24-Jährige bei seinen fünf Einsätzen nie überzeugt und mit dem kontrollierten Kurzpass-Spiel seine Probleme. In Dortmund wird anders gespielt.

Auf der rechten Seite bleibt der noch gesetzte Jerome Boateng (23) ein Problem, der lieber Innenverteidiger wäre. Und das auch kommuniziert. Gegen Frankreich wirkte er extrem fahrig.

Löw lobte Boatengs Aufbauspiel beim deutschen Treffer explizit, weil er Boateng rechts braucht. Ersatz Benedikt Höwedes dürfte froh gewesen sein, nicht erneut von Franck Ribéry schwindelig gespielt worden zu sein. Der Franzose blieb angeschlagen in der Kabine.

In der Innenverteidigung braucht es den verletzten Per Mertesacker (27) als Konstante, an der sich Holger Badstuber (22) oder Mats Hummels (23) ausrichten können. Zusammen funktionieren die Youngster nicht, wirken uneingespielt und überfordert. „Wir brauchen die Vorbereitung zur Feinabstimmung. In der Abwehr müssen wir am meisten arbeiten“, sagte Löw.

Das Mittelfeld: Steht mit vielen Alternativen. Mesut Özils Weltklasse-Niveau wird sich beim Turnier noch konstanter zeigen, der 23-Jährige nimmt sich noch viele Auszeiten. Auf der Position Sechs bieten sich hinter Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger neben Toni Kroos auch die beiden Benders an. Steter Einsatz und sicheres Passspiel sprechen für sie.

Spannend ist die Frage, ob der Leverkusener Simon Rolfes in dieser Gemengelage Teil der DFB-Elf bleiben wird. Und: André Schürrle trägt seine schlechte Saison in Leverkusen mit zur Nationalmannschaft, ist derzeit kaum mehr als Alternative für Lukas Podolski.

Auffällig zurückhaltend bewertete Löw auch den Startelf-Einstand des Gladbachers Marco Reus: „Er hatte ein paar gute Szenen, aber man sieht auch, dass die Nationalmannschaft noch eine Stufe höher ist. Bei uns muss er den nächsten Schritt machen.“

Sturm: Miroslav Klose ist die Nummer eins, dahinter folgt Mario Gomez. Der umstrittene Cacau hat mit seinem Treffer gegen Frankreich in persönlich schwieriger Phase Argumente gesammelt. Löw wird auch in Polen und der Ukraine auf den Deutsch-Brasilianer zählen.

Die Vorbereitung: „Entscheidend wird unsere Vorbereitung“, sagte Löw, der seine Gelassenheit nach der Niederlage von Bremen begründete: „Die Dinge, die heute gesehen wurden, habe ich schon vorher gewusst.“

Der 52-Jährige vertraut erneut auf die einmonatige Vorbereitung ab dem 11. Mai, die durch DFB-Pokal-, Champions-League-Finale und das Spiel zwischen dem FC Bayern und der niederländischen Nationalmannschaft gestört wird. „Mein Wunsch ist es, alle Spieler vier Wochen zu haben. Das wird nicht so sein. Aber das war 2010 auch nicht der Fall.“

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