Der Pokalsensationsmann

Roland Stein schnürte die Fußballschuhe für Vestenbergsgreuth und gewann 1994 im Pokal gegen die Bayern, die Samstag wieder gegen einen Underdog spielen. Ein Besuch.

Der Pokalsensationsmann
Foto: Imago

Stade. Jedes Jahr, nachdem die erste Runde im DFB-Pokal ausgelost wurde, klingelt im Hause Stein das Telefon. Irgendein Journalist aus Deutschland möchte dann wissen, wie es damals war, am 14. August 1994, als Roland Stein für das größte Wunder in der Geschichte des DFB-Pokals sorgte. „Ich habe kein Problem damit, das Jahr für Jahr zu erzählen“, sagt Stein. „Spaß macht es allerdings nicht mehr.“

Roland Stein

Es ist die Geschichte vom 1:0-Sieg des mittelfränkischen Drittligisten TSV Vestenbergsgreuth über den amtierenden Meister FC Bayern München und von Roland Stein, der das Tor schoss. Und ist es auch eine Geschichte, die dem Viertligisten SV Drochtersen/Assel Mut macht, der an diesem Samstag gegen den FC Bayern ins Rennen gehen wird?

Knapp 25 000 Zuschauer kamen zu dem Pokalspiel ins Nürnberger Frankenstadion. „Eigentlich“, sagt Stein, „war es ein Spiel für den FC Bayern.“ Sein Team musste verteidigen gegen ein Ensemble mit klangvollen Namen. Matthäus, Babbel, Helmer, Hamann, Scholl und Jorginho, Steins Gegenspieler im Mittelfeld. „Wir haben versucht, mitzuhalten und sind immer besser ins Spiel gekommen.“ Kurz vor der Pause bahnte sich die erste Chance für Vestenbergsgreuth an: Stein lief los, ein Mitspieler flankte in den Strafraum. Kopfball Stein. Oliver Kahn war geschlagen. 1:0.

Die Ansage für die zweite Halbzeit habe nur noch gelautet, das Ergebnis zu halten, zu mauern. „Das Spiel war ständig auf Messers Schneide.“ In der Nachspielzeit vergab Jean-Pierre Papin mit einem Heber die größte Bayern-Chance des Spiels. Käme es zur Verlängerung, „hätten wir vom Tempo wohl nicht mehr mithalten können“, sagt Stein. Doch es blieb beim 1:0, seinem 1:0. Die Party begann, die Bayern samt ihres neuen Trainers Giovanni Trapattoni verschwanden in der Kabine des Nürnberger Stadions und waren blamiert.

Heute ist Stein, der von Freunden „Bayern-Killer“ genannt wird, 45 Jahre alt. Er arbeitet als Aufzugsmonteur und lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Strullendorf bei Bamberg. Hier, in der 8000-Einwohner-Gemeinde und im Fußballverein, kennen sie alle seine Geschichte. „Da wird noch oft drüber gesprochen“, sagt Stein. Letztens, als er einen alten Fußball-Kollegen in Nürnberg traf, posaunte dieser im gesamten Café herum, dass dies der Mann sei, der die Bayern aus dem Pokal geschossen hatte. Stein selbst mag den Trubel um seine Person nicht so sehr. Dieses eine Tor war sein größter Moment. Die große Karriere jedoch blieb ihm verwehrt. Er verletzte sich, spielte noch anderthalb Saisons in Vestenbergsgreuth, wechselte zu Greuther Fürth, dann nach Burghausen, später nach Schweinfurt. Dort spielte er einige Male in der zweiten Liga und managte parallel den Hof seines verstorbenen Vaters. Eine enorme Belastung.

„Mein großes Ziel war die Bundesliga“, sagt Stein, „ich hatte mir immer gewünscht, dass es irgendwann klappt.“ Heute denkt Stein nicht mehr viel darüber nach. Den Hof hat er aufgegeben, seit sechs Jahren montiert er Aufzüge. Er hegt Sympathien zum „Club“ in Nürnberg, trainiert die D-Jugend-Mannschaft seines Sohnes und spielt selbst bei den Alten Herren des DJK Mistendorf. „Und der Torriecher ist auch noch da“, sagt Stein. Er ist glücklich im Jetzt.

Auch die SV Drochtersen/Assel kennt er, weiß, dass der Verein im Norden bei Hamburg angesiedelt ist und vor zwei Jahren bereits seine Premiere im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach gegeben hat — und mit 0:1 verlor. Stein kann sich gut vorstellen, dass die Kehdinger am Samstag lange die Null gegen den FC Bayern halten. An ein Wunder, wie 1994, glaubt er allerdings nicht. „Die Unterschiede zwischen den kleinen und großen Teams sind ein bissl größer geworden.“ Der FC Bayern habe sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. „Einen Ausrutscher wie damals“, sagt Stein, „werden die sich wohl nicht mehr erlauben.“

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