Der Karriereknick im Ausland

Nuri Sahin ist das populärste Beispiel, wie Karrieren trotz allen Talents außer Tritt geraten können.

Düsseldorf. Es gab glücklichere Tage in seinem Leben. Als Nuri Sahin weniger Zeit auf der Tribüne verbrachte. Der Rasen ist sein Element, den er im Wettkampf zusehend vermisste.

Er war ausgezogen in die große Welt des Fußballs — zu Real Madrid. Jetzt wird seit Tagen über seine Rückkehr nach Dortmund diskutiert. Selbst wenn der BVB am Mittwoch Verhandlungen dementierte.

„Es ist mir sehr, sehr schwer gefallen, den BVB zu verlassen. Ich liebe diesen Verein. Aber Real ist der größte Klub der Welt“, sagte Nuri Sahin im Mai 2011, als er mit 22 Jahren seinen Wechsel zu Real Madrid ankündigte.

Durchsetzen wollte er sich bei den Königlichen, an der Seite von Cristiano Ronaldo, Iker Casillas und Mesut Özil spielen. Dann verpasste er verletzt die Saisonvorbereitung. Trainer Jose Mourinho setzte auf andere Spieler, Sahin saß auf der Tribüne. In seiner ersten Saison bei Real bestritt der Deutsch-Türke ein Spiel in der Liga sowie zwei in der Champions League.

Im Sommer 2012 wurde er an den FC Liverpool ausgeliehen. Viel änderte sich nicht: sieben Liga-Spiele, vier im Uefa-Pokal. „In der Premier League wird viel körperlicher gespielt, er ist gerade dabei, sich daran zu gewöhnen“, sagte Trainer Brendan Rogers über Sahin.

Harte Worte für einen, der auszog, Weltstar zu werden. Zuletzt häufiger Tribünengast, spielt er in der Planung des englischen Traditionsvereins keine Rolle mehr.

Was bei Mesut Özil und Sami Khedira in Spanien, Miroslav Klose in Italien sowie Per Mertesacker und Lukas Podolski funktioniert, klappt nicht bei jedem Bundesliga-Spieler: Stammspieler in einer anderen Liga werden, sich weiterzuentwickeln und den vielzitierten „nächsten Schritt“ zu machen.

Auch Marko Marin kennt das. Im Sommer von Bremen zum FC Chelsea gewechselt, gab er erst in der vergangenen Woche sein Startelf-Debüt. „Das Problem bei vielen deutschen Spielern im Ausland ist die fehlende Lobby im neuen Verein“, sagt Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV).

Mit 24 Jahren wagte Nationalspieler Andreas Hinkel 2006 den Sprung vom VfB Stuttgart zum FC Sevilla. Dort kam er kaum zum Zuge, wurde auch nicht mehr für Länderspiele berufen. Erst mit dem Wechsel zu Celtic Glasgow stabilisierte sich seine Karriere im Verein.

Doch ein Kreuzbandriss stoppte ihn 2010 erneut, sein Vertrag wurde nicht verlängert. „Oft kommt auch einfach individuelles Pech wie Verletzungen hinzu“, sagt Baranowsky. Nach einem erfolglosen Jahr beim SC Freiburg beendete er im Sommer 2012 seine Karriere.

Ebenfalls in Sevilla, aber beim Lokalkonkurrenten Betis, versuchte sich David Odonkor nach seiner guten WM 2006. Auch ihn plagte das Verletzungspech, Odonkor absolvierte in fünf Spielzeiten nur 52 Einsätze. 2011 war der 16-malige Nationalspieler arbeitslos, fand erst im September mit Alemania Aachen einen neuen Arbeitgeber in der 2. Liga.

„Das Geschäft ist sehr vergänglich“, sagt Baranowsky. Es gelte das Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Odonkor spielt heute nach Aachens Abstieg in der Ukraine bei Aufsteiger FC Hoverla-Zakarpattya Uschhorod.

Anderen Spielern gelang es jedoch, ihre Karriere nach miserablen Spielzeiten im Ausland in der Bundesliga zu stabilisieren. Nationalspieler ist Timo Hildebrand zwar nicht mehr, aber nach seinen gescheiterten Stationen im Ausland — beim FC Valencia in der zweiten Saison auf der Tribüne, bei Sporting Lissabon ohne Liga-Einsatz — immerhin auf dem Weg zur Stammkraft beim FC Schalke.

Auch die wenig erfolgreichen Engagements der Boateng-Brüder bei Tottenham Hotspur (Kevin-Prince 2007) und Manchester City (Jerome 2011) sind heute allenfalls noch Fußnoten im Lebenslauf. Kevin-Prince Boateng wagte 2009 nach einem halben Jahr bei Borussia Dortmund erneut den Schritt ins Ausland und kam über den FC Portsmouth zum AC Mailand, wo er 2011 als Stammspieler italienischer Meister wurde.

Ulf Baranowsky rät allen Bundesliga-Spielern, sich den Schritt ins Ausland genau zu überlegen und den Verein strategisch gut zu überlegen: „Es muss Hand und Fuß haben. Die Spieler brauchen mittelfristig eine Perspektive.“

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