Der gefühlte Meistertitel

VfL Wolfsburg: Nach dem 5:0 in Hannover bremst nur Trainer Magath Euphorie. Es fehlt noch ein Punkt.

Hannover. Wenn Felix Magath zur verbalen Schlusssequenz ausholt, darf man niemals Euphorie erwarten. 5:0 hatte seine Mannschaft, der VfL Wolfsburg, am 33. Spieltag das niedersächsische Derby in Hannover gewonnen. Die Republik war wieder einmal beeindruckt, und jetzt sollte Magath doch bitte sagen, dass er keinen Zweifel mehr am Titel hege. Aber Magath sagte: ""Man ist Meister, wenn das letzte Spiel abgepfiffen ist, und nicht, wenn man glaubt, man hat es geschafft." Natürlich hatte er Recht, weil der VfL am letzten Spieltag gegen Werder Bremen noch einen Punkt zum Titel benötigt. Aber die Zweifel seiner Umgebung waren nach der Demonstration von Hannover versiegt.

Seine Spieler tanzten vor den 6000 mitgereisten Fans, die ihnen improvisierte Meisterschalen entgegen reckten. "Es war wie ein Heimspiel", sagte Zvjezdan Misimovic erstaunt, selten hatte er so etwas mit diesem Verein erlebt. Aber solch emotionale Ausbrüche sind selten. Als Misimovic Edin Dzeko die Hose während eines TV-Interviews gen Boden zog, war der Höhepunkt der niedersächsischen Narretei erreicht.

Es ist nicht die Art dieses Teams, Spaßfußball auch spaßig zu verkaufen. Am treffendsten hat es Magath nach dem Spiel formuliert, als er gefragt wurde, wie er es schaffe, das Team so kühl zu präsentieren: "Wir sind ja schon die ganze Saison darauf trainiert, uns professionell zu verhalten und solch ein Spiel möglichst emotionslos zu sehen", sagte Magath, und sein Blick schloss gleichfalls jede Emotion aus. Das Gemüt dieses Trainers hat sich der erfolgreiche Club zu eigen gemacht. Wolfsburg ist Magath, aber umgekehrt funktioniert das nicht, weil Magaths Methode mit den geeigneten Spielern überall funktionieren könnte. Und es wird die spannende Frage sein, wie Wolfsburg ohne diesen Trainer funktionieren wird, der vor dem größten Erfolg seiner Karriere steht. Wobei Magath auch das anders sieht: "Das ist relativ. Ich habe Frankfurt mal gerettet. Das würde ich mir heute gar nicht mehr zutrauen", sagte Magath. Für die großen Gefühle müssten andere Meister her.

Für den großen Fußball bürgten Grafite und Dzeko. Drei Treffer erzielte Dzeko, darunter das 1:0 mit einem Dropkick in den Winkel, zwei Tore schoss Grafite, zusammen hatten sie es gegen Mario Eggimann und den gerade gesundeten Vinicius so leicht wie selten. Nachbarschaftshilfe? "Das weise ich weit von mir", sagte 96-Trainer Dieter Hecking.

Natürlich mischt sich in Wolfsburg Zukunftsangst in die glanzvollen Tage. "Ich bin sehr enttäuscht, dass der Trainer geht. Jetzt geht es nur darum, Meister zu werden, und dann schauen wir weiter", sagte Dzeko auf seine Zukunft angesprochen. Man kann das als Zeichen sehen, dass dieser VfL Wolfsburg nur einen Sommer tanzen kann. Dzeko ist nicht abgeneigt zu gehen, vielleicht sogar mit Magath nach Schalke, und es wird eine erste Stimmungsprobe, wenn ihm der VW-Konzern seinen laufenden Vertrag unter die Nase hält. "Dann ist der drei Wochen sauer und bleibt doch in Wolfsburg", sagte einer der Wolfsburger Fans nüchtern. Frei nach dem Vorbild Magath.

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