D’r Prinz kütt – die Kölner Fans feiern Poldis Heimkehr

Weihnachten, Ostern und Karneval an einem Tag: Eine ganze Region spielt verrückt und träumt jetzt sogar von der Meisterschaft.

Köln. Transfer - welch schnödes Wort. Das kann man vielleicht verwenden, wenn Marcel Jansen von München nach Hamburg wechselt. Aber doch nicht in diesem Fall. Hier geht es um mehr, um viel mehr. Es geht um Träume, die in Erfüllung gehen, um himmlische Missionen gar. Kurz gesagt: Es geht um einen verlorenen Sohn, der heimkehrt. Lukas Podolski kommt nach Köln zurück, zum FC, nach Hause. Und eine ganze Region spielt verrückt.

"En kölsche Jung gehört nach Kölle, nicht nach München oder Tottenham." Daniel Wenzeler spricht diesen Satz fast weihevoll. Für den Köbes (23) im Kölner Brauhaus Reissdorf geht mit Poldis Rückkehr "ein Traum in Erfüllung". Natürlich sei man im Rheinland irgendwie verrückt, aber im positiven Sinne. "Das macht uns aus", so Wenzeler. Und der Poldi, der gehöre auch zu den Verrückten, wenn er nun durch seinen Wechsel auf Geld und Ansehen verzichte.

Das mit dem Ansehen mag für den Rest der Welt stimmen, für Köln und das Rheinland eher nicht. Was haben die Leute nicht alles versucht, um ihren Prinzen dahin zu bekommen, wo er ihrer Ansicht nach hingehört? Im Internet konnte man auf free-poldi.de in Moorhuhn-Manier den Jungen aus den Klauen von Hoeneß und Klinsmann befreien.

Das Video "Freiheit für Lukas Podolski" verzeichnete bei Youtube weit mehr als 100 000 Zugriffe. Und die Höhner haben eigens ein Lied umgetextet: "Köln, das war sein letztes Wort. Dann ließen ihn die Bayern fort." Nun ist es tatsächlich so gekommen.

Nicht nur bei den Machern der Internetseite compoldi.com fällt nun Weihnachten, Ostern und Karneval auf einen Tag. Zwar hat man auch dort erkannt, dass der FC auf das durch Mitgliederbeiträge gesammelte Geld des Rückholhilfevereins nicht angewiesen war.

Dafür wolle man nun aber die Kölner Jugendarbeit unterstützen, sagt Bernd Schnitter. Er, nicht Vorsitzender, sondern Präsident, der die Aktion pünktlich zum 11.11.08 mit zehn Mitstreitern (also zu elft) ins Leben gerufen hatte. Nun habe man nicht nur rund 10 000 Unterstützer, sagt Schnitter, sondern mit Poldis Rückkehr auch die Gewissheit, "dass man Dinge in die Tat umsetzen kann, die man sich erstmal nicht vorstellen kann".

"Wenn Poldi zum ersten Training antritt, dann ist das Stadion voll. Mit Sicherheit." Jupp Schüller muss es wissen, er ist nicht nur Vorsitzender des größten Bergheimer FC-Fanclubs, sondern auch Wirt "Em Pittermännche".

Hier, nur ein paar Schritte von Poldis Stammfriseur Dederichs entfernt, sitzen die Anhänger des Vereins direkt neben dem 450 Kilo schweren Geißbock des Kölner Künstlers Mark Kriegel. Lukas, der beim FC Jugend 07 Bergheim einst das Kicken erlernte, "stand hier sogar mal hinter der Theke und hat Bier gezapft". Stolz klingt da durch und auch die Freude darüber, "dass er endlich wieder da ist".

Doch es sind auch kritische Töne unter den Kneipengästen zu vernehmen. "Mir geht das Getue um Lukas ziemlich auf den Nerv", gibt Sascha Schröder zu. Das sei damals schon bei seinem Wechseltheater zu den Bayern so gewesen. "Ich war am Ende froh, als er weg war."

Nun gebe es seit Wochen wieder keine anderen Schlagzeilen, beklagt der FC-Fan. "Hey, es spielen elf Mann in einer Mannschaft, nicht nur einer." Dennoch kann der 34-jährige Erzieher Poldis Fallrückzieher gut verstehen. Der FC, meint er, das sei nicht nur für ihn, sondern auch für den Lukas wie eine Familie, "der kommt doch aus der Südkurve raus".

Deshalb glaubt auch Oskar Fink (68), dass Podolski bald wieder seine Tore macht. "Wenn er nur die Mitspieler hat, die ihm aus dem Mittelfeld auf die linke Flanke zupassen. Weil von seiner Schusstechnik, da kommt keiner drüber."

Klar, gibt Nebensitzerin Marlies (62) zu bedenken, wenn denn der Junge nicht an hohen Erwartungen scheitert. Darin sieht auch Sascha Schröder die größte Gefahr. Jetzt werde wieder überall so getan: Mit Lukas werden wir Deutscher Meister. "Pah", sagt Schröder und macht eine längere Pause. "Aber", fügt er dann mit einem Grinsen hinzu, "jetzt erwarte ich natürlich auch, dass wir Meister werden."

In Köln sitzt Familie Samst derweil wie jede Woche in der FC-Kneipe "Alte Griechenschänke" beim Skat zusammen - und kann die ganze Euphorie um den Heilsbringer nicht verstehen. "Er hat sich international nicht durchgesetzt", verkündet Vater Wolfgang lapidar. Sportlich stellt er ebenfalls eine düstere Prognose.

Es sei zwar keine Frage, dass der FC Podolski gut gebrauchen könne, "aber der Junge wird hier sportlich stagnieren". Ehefrau Gudrun hat sich dagegen vor allem über die Ankündigung von FC-Manager Michael Meier geärgert, man werde um Podolski herum die neue Mannschaft bilden. "Ich finde das respektlos gegenüber dem aktuellen Kader. Der Poldi müsste sich diese Position doch erst mal erarbeiten."

Sohn Sebastian stimmt seiner Mutter in diesem Punkt zu. Gerade, dass er es in München unter drei verschiedenen Trainern nicht geschafft hat, gibt dem 32-Jährigen zu denken. Dennoch glaubt er daran, dass sich der Fußballer beim FC Köln weiterentwickeln kann. "Wenn er dem Druck standhält, kann er bei uns zum Führungsspieler heranwachsen." Vater Wolfgang allerdings glaubt das nicht. "Nein, ich bleibe dabei: Lukas tut sich mit dem Wechsel keinen Gefallen. Er tut Köln einen Gefallen."

Alida Pisu (50) ficht eine solche Einschätzung nicht an. "Mein Herz schlägt für Poldi und den FC, und es schlägt heftig." Deshalb hat sie, Mitglied im Südstadtchor der Luthergemeinde, sich nach der Mitgliederversammlung im November 2008, als Manager Meier ankündigte, Lukas zurückzuholen, hingesetzt und ein Lied getextet. "Holt den Lukas nach Haus" heißt das Stück, zu dem Kantor Thomas Frerichs eine stadiontaugliche Melodie komponierte, und von dem die anderen Sänger begeistert waren. "Wir haben dann ein Video gedreht und es bei Youtube eingestellt", erzählt Pisu.

"Das WDR-Rundfunkorchester fand die Idee gut", sagt Frerichs. Und so habe man das Lied gemeinsam noch einmal aufgenommen. Mittlerweile ging das Werk mehrfach über den Sender, mit Streichern und Trompeten. "Wir haben unsere himmlische Mission erfüllt", meint Alida Pisu. "Wir haben unseren Lukas nach Hause gesungen." Bei Poldis Rückkehr handelt es sich eben nicht um einen schlichten Transfer. Das sei, betont Köbes Daniel in bester Kölscher Diktion, "en Haetzjeföhl".

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