Bremse im Kopf: Turner Boy steht vor Karriereende

Berlin (dpa) - Die Turn-Karriere von Philipp Boy neigt sich dem Ende zu. Beim ersten TV-Auftritt nach den Olympischen Spielen von London nährte der beste deutsche Turner der Jahre 2010 und 2011 Spekulationen um seinen endgültigen Abschied aus den Turn-Arenen.

„Die Tendenz ist momentan: Vielleicht werde ich das Turnen ad acta legen“, erklärte Boy in der Sendung „Sportplatz“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb). Gleichzeitig verwies der erst 25 Jahre alte zweimalige Vizeweltmeister und Europameister im Mehrkampf darauf, dass er die endgültige Entscheidung über seine Laufbahn noch im November verkünden werde.

Nachdem bereits sein Ausscheiden aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr ein Fingerzeig war, dass der Lausitzer nicht mehr an die Geräte zurückkehrt, versuchte Boy drei Monate nach den Spielen vor laufender Kamera seine Befindlichkeiten nach dem Debakel von London zu schildern. „Seit dem Weltcup voriges Jahr in Stuttgart ist bei mir ein Schalter im Kopf umgelegt. Das gab es vorher nicht, dass ich mir über das Turnen Gedanken gemacht habe. In Stuttgart hatte ich einen Schutzengel, glücklicherweise ist nichts passiert“, bekannte Boy. Nach einem äußerst gefährlich aussehenden Sturz vom Reck hatte sich Boy vor einem Jahr nur leichte Prellungen und Blessuren zugezogen.

Nun gab er zu, dass ihm bei diesem Absturz Gedanken an seinen einstigen Teamgefährten Ronny Ziesmer gekommen seien, der nach einem Sportunfall 2004 querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt. „Das sind Gefühle, die dich hemmen“, verriet Boy und begründete damit, warum seit Stuttgart keine Reckübung mehr hundertprozentig gelang. Er mache sich Gedanken um seine Gesundheit, schließlich wolle er ja noch 60 Jahre leben, sagte Boy zu seiner Situation.

Schon nach zwei Reck-Abstürzen und dem Schock des verpassten Mehrkampf-Finales in London hatte Boy erklärt, die größten Schmerzen bereiteten ihm nicht die lädierten Knochen, sondern der Kopf. Entzündungen im Handgelenk und im Schlüsselbein, ein eingeklemmter Rückennerv, ein angeschlagenes Sprunggelenk - die Liste seiner Verletzungen in der Olympia-Saison war lang.

Doch scheinen diese letztlich nicht den Ausschlag über seine Lebensplanungen zu geben. Es fehle ihm an Feuer und an Motivation, hatte Boy nach den Spielen mehrfach geschildert.

Bereits der Abschied von seinem größten Geldgeber, der Bundeswehr, im Oktober war als Indiz für die Ausrichtung seiner Gedanken gewertet worden. Es müsse schon sehr viel passieren, damit er sich noch einmal zum Hochleistungssport aufraffe, meinte er. „Die Rahmenbedingungen müssten geschaffen werden. Meine Erfolge haben mir nicht bei der Suche nach Geldgebern geholfen. Ich warte noch immer auf einen richtig großen Sponsor“, flehte Philipp Boy im rbb. In welche Richtung ihn seine Freundin und seine Familie berieten, wollte der Cottbuser hingegen nicht preisgeben: „Das bleibt unter uns.“

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