Breitensport: Doping für Jedermann

Die Ärztekammer schlägt Alarm: 200 000 Freizeitsportler nehmen verbotene Substanzen. Ärzte sind Mittäter.

Düsseldorf. Das Dopingproblem sei den Ärzten in ihren Praxen schon lange vor den jüngsten Geständnissen der Profisportler zuhauf begegnet, sagt Arnold Schüller, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein. Immer häufiger seien in der vergangenen Zeit junge Menschen mit ungewöhnlich heftigen Hautausschlägen, Herz-Kreislauferkrankungen oder psychischen Störungen zu ihnen gekommen. Und die Ursache dieser für das Alter der Patienten untypischen Erkrankungen sei schnell ersichtlich: Doping. "Das ist nicht nur ein Problem des Leistungssports", sagt Schüller.

200 000 Freizeitsportler, schätzen Experten, nehmen in Deutschland verbotene Substanzen ein. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen. "Was die Profis vormachen, ahmen hunderttausende Freizeitsportler nach", so Schüller. Gestiegener Leistungsdruck, die Sehnsucht nach gesellschaftlicher Anerkennung oder schlicht ein ausgeprägter Körperkult seien die wesentlichen Gründe für den enormen Missbrauch. Je nach Sportart werden Schmerzmittel, Ephedrin, Epo oder Anabolika genommen. Theoretisch sind das alles verschreibungspflichtige Mittel, doch praktisch sind sie offenbar an jeder Ecke zu bekommen.

Vor allem das Internet bietet vielfältige Möglichkeiten, um Dopingmittel zu bestellen. "Es gibt zwar eigentlich klare gesetzliche Regelungen, doch wer will diese Angebotsfülle noch kontrollieren? Das ist unmöglich", sagt Schüller. Auch Mediziner schrecken nicht davor zurück, Breitensportlern "bewusst oder unbewusst" leistungsfördernde Mittel zu verschreiben. Schüller: "Sportärzte, die sich für so etwas hergeben, sind nichts anderes als Drogendealer im weißen Kittel."

Und selbst die eigentlichen Drogendealer haben den neuen Markt seit geraumer Zeit erkannt. Die abgegebene Menge an Dopingmitteln mache dem Heroin-Verkauf mittlerweile gehörig Konkurrenz. Vor allem Fitnessstudios seien ein beliebter Absatzort für den Verkauf anaboler Steroide und Diuretika. Untersuchungen zufolge sollen 15 Prozent aller Mitglieder von Fitnessstudios Anabolika zur Leistungssteigerung einnehmen.

Und selbst bei Volksläufen werden immer wieder Ampullen und leere Tablettenschachteln gefunden. Legale Nahrungsergänzungsmittel können ein leichter Einstieg in den unsauberen Breitensport sein, da sie oftmals verbotene Anabolika enthielten, ohne dass dies auf der Packung stehe. Bei Untersuchungen im Jahr 2002 waren etwa 15 Prozent der Produkte betroffen.

Vor allem Jugendliche wollen mit Hilfe des Dopings ihren sozialen Status verbessern. Bei einer Erhebung des Zentrums für präventive Dopingforschung der Deutschen Sporthochschule Köln in den Jugendzentren der Stadt kam heraus, dass durchschnittlich sieben Prozent der jungen Menschen aus ästhetischen Gründen zu diesen Präparaten greifen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. "Die wollen gar keinen Sport machen, sondern ohne Anstrengung mehr Muskeln bekommen und dadurch mehr Akzeptanz in der Gruppe", sagt Hans Geyer, Geschäftsführer des Zentrums.

Außerdem werden in Deutschland chinesische Kapseln und Tees verkauft, die mit der rezeptpflichtigen Substanz Sibutramin versetzt sind. Diese versprechen eine rasante und unkomplizierte Gewichtsabnahme. "Die Personen, die das einnehmen, müssen dann oft in die Notaufnahme. Sie sind völlig entwässert und schwer krank", so Schüller. Gegen Doping als gesellschaftliches Problem helfe nur Aufklärung, eine Verschärfung des Arzneimittelgesetzes und "etwas mehr Vernunft der Menschen", sagt Schüller.

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