Profiboxer Pulew mit Strafaktion zum EM-Titel

Hamburg (dpa) - Klitschko-Besieger Tyson Fury saß in der ersten Reihe am Boxring und musste eingestehen, dass er mit seiner Prognose komplett danebenlag. Nicht sein britischer Landsmann Dereck Chisora holte sich in Hamburg den EM-Titel der Schwergewichtsboxer, Kubrat Pulew hieß der Sieger.

Profiboxer Pulew mit Strafaktion zum EM-Titel
Foto: dpa

Fury hatte einen K.o.-Sieg für Chisora in der neunten Runde vorhergesagt. Am Ende stand ein verdienter Punktsieg Pulews zu Buche (116:112, 113:115, 118:110). „Das war der beste Kampf in Kubrats Karriere“, meinte Promoter Kalle Sauerland, bei dem sowohl der Bulgare als auch Rivale Chisora unter Vertrag stehen.

Für Pulew war das EM-Duell zugleich Strafaktion gegen den vorlauten Briten, der ihn zuvor als Nichtskönner beschimpft und geschwafelt hatte, er werde gegen den Bulgaren zum Mörder im Ring. „Show ist nicht schlecht, aber sie muss Grenzen haben. Boxen ist ein Sport mit Niveau“, sagte Pulew und war zufrieden mit seiner Erziehungsmaßnahme.

Als Europameister hat er sich für einen WM-Kampf gegen IBF-Champion Anthony Joshua aus Großbritannien in Stellung gebracht. Das wird aber so schnell nicht passieren. Denn zunächst will Trainer Ulli Wegner seinen Schützling veredeln.

„Wenn wir um die WM boxen, wollen wir siegen. Das müssen wir erst mal erarbeiten“, erläuterte Wegner, der Pulew seit dessen K.o.-Niederlage gegen Wladimir Klitschko im November 2014 betreut. „Kubrat hat angedeutet, welche Qualitäten er hat.“ Pulew gestand: „Es war nicht alles perfekt.“

Die stärkste Waffe des 35-Jährigen ist sein linker Jab. Mit der Führhand punktete der 113-Kilo-Koloss den Briten aus. Doch einige Male musste auch der Bulgare schwere Treffer hinnehmen. Der rechte Haken des Briten kam ungehindert durch. Interims-Weltmeister und Trainingsgefährte Jack Culcay, der mit Pulew befreundet ist, mahnte: „Kubrat muss an seiner Deckung arbeiten. Aber es ist mit Trainer Wegner schon besser geworden.“

Sowohl Wegner als auch Sauerland lobten Pulew für seine Taktik-Treue. „Erstaunlich, dass er das gemacht hat, was wir trainiert haben“, meinte Wegner, der im Vorfeld seine Zweifel hatte. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Ich habe die letzten Tage mit mir kämpfen müssen.“

Chisora konnte die Einschätzungen nicht verfolgen. Er wurde nach dem Kampf zum Arzt gebracht, weil sich eine gefährliche Schwellung unter dem Auge ausgebreitet hatte. „Ich habe mich als der klar bessere Boxer gesehen“, sagte der 32-jährige Briten, der vor vier Jahren auch mit Vitali Klitschko über die Runden gegangen war. Außerdem, so Chisora, habe er gegen zwei Leute im Ring gekämpft.

Gemeint war Ringrichter Manuel Oliver Palomo, der viel zu spät unterband, wenn sich die Rivalen im Nahkampf verkeilten. Der Spanier lieferte eine schwache Vorstellung ab, hatte den Kampf nie unter Kontrolle. Auf gleichem Niveau bewegte sich ein Punktrichter aus der Schweiz, der allen Ernstes 115:113 für Chisora gewertet hatte. „Darauf kann man nur kommen, wenn man beide Augen geschlossen hat“, lautete Sauerlands Kommentar. Zu hoffen ist, dass der Europaverband EBU Konsequenzen zieht.

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