Für El-Halabi geht es beim Comeback um alles

Ulm (dpa) - Wenn die Ulmer Profiboxerin Rola El-Halabi am Samstag nach 21 Monaten Pause in den Ring steigt, wird ihr Vater nicht in der Halle sein. Er sitzt wegen gefährlicher Körperverletzung im Gefängnis, weil er seine Tochter mehrfach angeschossen hat.

Vor ihm muss sich die 27-Jährige bei ihrem Comeback in Neu-Ulm also nicht fürchten. Trotzdem dürfte es für die Leichtgewichtlerin kein einfacher Abend werden. Denn der Druck vor dem WM-Kampf in der Ratiopharm-Arena gegen die Deutsch-Italienerin Lucia Morelli ist enorm - nicht nur wegen der Titel der Box-Verbände WIBA und WBF.

„Alles hängt vom 12. Januar ab, meine Zukunft und mein Wohlbefinden, wie ich dieses Trauma verarbeiten kann“, erklärte die in Beirut geborene Deutsche. „Du hast es in der Hand, ob es gut endet oder nicht.“ Könnte die Herausforderung noch größer sein?

Es geht um die Überwindung des Traumas, das ihr Stiefvater ihr zugefügt hat, als er sie am 1. April 2011 unmittelbar vor dem Titelkampf gegen die Bosnierin Irma Adler mit Schüssen in die rechte Schlaghand, beide Füße und ins Knie schwer verletzte und damit ihre Karriere zerstören wollte. Zwölf Narben an ihrem Körper und die seelischen Wunden zeugen noch heute von dem Anschlag.

Aber es geht auch um El-Halabis materielle Existenz. Denn sie ist bei dem Kampf (Beginn 22.30 Uhr) auch ihr eigener Veranstalter und haftet als Privatperson. „Wenn das schiefgeht, ist nicht nur meine Karriere beendet, sondern ich bin auch finanziell ruiniert“, sagte sie der Zeitung „Die Welt“. Die Veranstaltung koste sie einen sechsstelligen Betrag. „Ich bin also zum Siegen verdammt.“

Ihre Gegnerin Morelli ist für harte Schläge und große Ausdauer bekannt. Die Bilanz der 33-Jährigen weist bei 17 Siegen aber auch drei Niederlagen auf. Ihren bisher letzten Kampf hat sie im Februar 2012 gegen die Belgierin Delfine Persoon durch technischen K.o. verloren. Die technisch stärkere und sehr bewegliche El-Halabi hat alle ihre elf Kämpfe gewonnen, sechs davon durch K.o.

Der gleiche Wille, mit dem El-Halabi nach den Schüssen ins Leben zurückfand, soll sie im Sport wieder ganz nach vorn bringen. Der Stiefvater habe sie ganz unten sehen wollen, diesen Wunsch werde sie ihm aber nicht erfüllen, sagte sie der „Bild“-Zeitung.

El-Halabi ist auf die maximal zehn Runden à zwei Minuten gut vorbereitet. „Seit dem Attentat bin ich ein anderer Mensch geworden. Meine Grenzen sind jetzt viel weiter gesteckt als zuvor“, sagte sie der Ulmer „Südwest Presse“. Der Kampf werde nicht mit dem Bizeps gewonnen, sondern mit dem Kopf. „Und da bin ich härter.“

Zudem unterstützen sie die Fans: etwas mehr als 4000 von 7000 Tickets waren bis Freitag verkauft worden. El-Halabi braucht nach eigenen Angaben rund 5000 Zuschauer, um die Kosten von 300 000 Euro zu decken. Die erste Hürde auf dem Weg zum WM-Titel nahm sie nur ganz knapp. Beim offiziellen Wiegen blieb sie mit 61,20 Kilogramm nur 30 Gramm unter dem erlaubten Gewicht (61,23). Morelli kam auf 60,0 Kilo.

El-Halabis Trainer Jürgen Grabosch und Tommy Wiedemann wollen in der Kabine vor dem Kampf alles dafür tun, um zu verhindern, dass bei ihrem Schützling die Erinnerungen an die Schüsse ihres Stiefvaters und die entsprechenden Emotionen zu sehr hochkommen. „Wir werden sie ständig in irgendein Gespräch verwickeln, um sie abzulenken“, sagte Grabosch. El-Halabi glaubt an den Sieg. „Ich bin als Weltmeisterin gegangen, und ich werde als Weltmeisterin zurückkommen“, sagte sie. „Es wird ein megaschönes Event werden.“

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