Boll: „Siege gegen Top-Chinesen fühlen sich gut an“

Hannover (dpa) - Rekord-Europameister Timo Boll sorgt in der stärksten Tischtennis-Liga der Welt für Furore. 3:1 ist seine Auftaktbilanz in der chinesischen Superliga, und er hat dabei zwei Superstars aus dem Reich der Mitte geschlagen.

Dorthin geht es für weitere gut drei Wochen zurück. Der 32-Jährige erläuterte im dpa-Interview seine langfristigen Pläne. Eine olympische Einzelmedaille und der WM-Titel im Doppel an der Seite des Chinesen Ma Long sind die großen Ziele.

Frage: Sie haben drei Ihrer vier Matches für das Team aus Jiangsu gewonnen, unter anderem innerhalb weniger Tage gegen Weltmeister Zhang Jike und den Weltranglistenersten Xu Xin. Wie fühlt sich das an?

Antwort: Natürlich ist es ein gutes Gefühl. Ich möchte ja den Leuten etwas bieten und sie von mir überzeugen. Auch wenn wir als Mannschaft jetzt alle Spiele verloren haben, waren meine Leistungen doch gut. Aber ich hatte schon bei der WM das Gefühl, dass ich nicht weit von den Top-Chinesen weg bin.

Frage: Haben Sie diese Siege dann gar nicht überrascht?

Antwort: Natürlich fühlt man sich in solchen Duellen immer ein bisschen als Underdog, und es ist auch nicht alltäglich, diese Top-Chinesen innerhalb von ein paar Tagen zu schlagen. Aber wenn es eine enge Partie ist, bin ich nicht mehr so hektisch wie vielleicht früher mal.

Frage: Was bedeuten die Erfolge mit Blick auf das, was ein 32-Jähriger Timo Boll in seiner Karriere noch erreichen kann?

Antwort: Ich würde das gar nicht am Alter festmachen. Ich bin gesund und habe Spaß am Tischtennis. Und ich bin einer von ganz wenigen Spielern, die auch mal gegen die besten Chinesen gewinnen können.

Frage: Das heißt, die noch fehlende Olympia-Einzelmedaille ist Ihr großes Ziel in Rio?

Antwort: 2016 habe ich auf jeden Fall auf dem Schirm. In Rio will ich noch mal angreifen.

Frage:Inwieweit sind die Siege gegen diese Topleute ein Zeichen dafür, dass Sie in Europa gar nicht alles aus sich herausholen können?

Antwort: Ich habe ja auch bei Borussia Düsseldorf in der abgelaufenen Saison einige Spiele verloren, und das Training dort hat schon eine hohe Qualität. Aber das tägliche Training mit Ma Lin und Chen Qi, die ja beide in meiner Mannschaft spielen, und die Wettkämpfe laufen natürlich auf einem ganz hohen Niveau. Du spielst alle paar Tage gegen Granaten und hast kein einfaches Spiel. Nachdem ich gegen Xu Xin gewonnen hatte, habe ich eine 0:3-Klatsche gegen Shang Kun kassiert, den in Deutschland niemand kennt. In der Bundesliga gewinne ich auch oft, wenn ich nicht so gut spiele. In China muss ich immer am Limit spielen, um eine Siegchance zu haben. Das ist sicher der größte Unterschied.

Frage:Kurz vor dem Start der Superliga haben Sie mit dem Weltranglisten-Zweiten Ma Long den Doppelwettbewerb der China Open gewonnen. Danach haben Sie gesagt, dass dieses Duo auch WM-Gold gewinnen könnte.

Antwort: Ich glaube schon, dass wir das beste Doppel der Welt sind, denn es stimmen alle Voraussetzungen, unser Spiel passt perfekt zusammen. Die Chinesen haben gesagt, dass sie dafür sind, die WM für internationale Doppel zu öffnen. Mich würde es freuen, Weltmeister im Doppel zu werden.

Frage:Werden Sie beim Deutschen Tischtennis-Bund Werbung dafür machen, dass der beim Weltverband einen Antrag stellt, Duos aus zwei Nationen zu erlauben?

Antwort:Wenn ich aus China zurück bin, wird es sicher Gespräche geben. Ich glaube, dass das Thema auch in Deutschland gut aufgenommen worden ist.

Frage: Sie haben ja vor schon etwas längerer Zeit begonnen, Chinesisch zu lernen. Wie hat sich das entwickelt?

Antwort: Ich habe schon lange nichts mehr gemacht. Aber in meinem Verein ist keiner, der so richtig gut Englisch spricht. Mein Kollege Ma Lin kann vielleicht zehn, zwölf Wörter. Deshalb nehme ich mein Chinesisch-Buch jetzt wieder mit rüber.

Frage:Ihr Nationalmannschaftskollege und Freund Dimitrij Ovtcharov wird zum ersten Mal in der stärksten Liga der Welt spielen. Auf was muss sich der Olympia-Dritte einstellen, welchen Rat können Sie ihm geben?

Antwort: Ratschläge habe ich ihm nicht groß gegeben. Ich habe ihm gesagt, dass es eine gute Sache für ihn ist. Das ist noch mal ein ganz anderer Druck als in Russland, wo er ja in der Liga spielt. Ich denke, es ist für ihn der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt.

Frage:Ovtcharovs Superliga-Premiere im Team Guangdong ist am 10. Juli ausgerechnet bei Ihrer Mannschaft aus Jiangsu. Zwei Tage vorher fliegen sie zusammen nach China. Wie wahrscheinlich ist es, dass es zum direkten Duell zwischen Ihnen beiden kommt?

Antwort: Das kann schon passieren. Da ich bisher ziemlich erfolgreich war, gehe ich schon davon aus, weiterhin für zwei Einzel aufgestellt zu werden. Aber wie die andere Mannschaft Dimitrij einschätzt, kann ich nicht sagen. Ob sie ihn gleich ins kalte Wasser werfen, weiß ich nicht.

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