Biathlon: Der unersättliche und eigenartige Herr Björndalen

Im Alter von 36 Jahren plant der Norweger, seinen neun olympischen Medaillen weitere hinzuzufügen.

Vancouver. Es geht ihm um Grenzen, nicht um Rekorde. Er besitzt sie und doch sind es für ihn nicht mehr als schnöde Zahlenkombinationen, deren Gehalt einzig andere schätzen. Ihm geht es darum, die eigenen Grenzen hinauszuschieben. Ein bisschen. Immer wieder. Seit Jahren. Und im Idealfall auch noch in einigen Jahren.

Biathlon. Sein Leben. Ole Einar Björndalen hat noch lange nicht genug. Nicht mit 36 Jahren. Auch nicht nach neun olympischen und 33 WM-Medaillen oder nach sechs Gesamtsiegen im Weltcup. Björndalen, der Tüftler. Björndalen, der Unersättliche. Björndalen, der Perfektionist. Wer und was wäre dieser Norweger, wenn nicht einer der erfolgreichsten Wintersportler? "Ohne Biathlon wäre wahrscheinlich gar nichts aus mir geworden", sagt Ole Einar Björndalen. Er hatte Interesse, Tischler zu werden. "Vielleicht mache ich das später."

Vielleicht. An diesem Sonntag (20.15 Uhr) startet der Norweger als einer der Favoriten in den olympischen Sprint-Wettbewerb. Gold trauen ihm Fans wie Konkurrenten zu. Er selbst erwartet es auf den Strecken von Whistler Mountain von sich. Wenn nicht im Sprint, dann in einem der folgenden Einzelrennen. "Und eine Medaille in der Staffel", sagt Björndalen. "Ich hoffe, dass ich alle Wettbewerbe laufen kann." Passt es rein, gerne auch noch einen Langlaufwettbewerb - wie 2002 in Salt Lake City.

Die Form dazu hat er. Im Laufen. Und im Schießen, wo er nochmals gefeilt und sich stark verbessert hat. Björndalens Zeiten am Schießstand sind die Besten, die er je hatte. Seinen Killerblick beim Anschlag registrieren nur die Beobachter.

"Ich erinnere mich an gar nichts: Ab und zu passiert so etwas, wenn man total fokussiert ist", hat der Sympathikus aus Simostranda in Ruhpolding gesagt. Der Schaft seines Gewehres ist unverändert, doch der Hobby-Jäger benutzt seit Saisonbeginn den Gewehrlauf seiner Ehefrau, der ehemaligen Biathletin Nathalie Santer. "Der ist besser als meiner."

Dieser Ehrgeizling ist eine Ausnahmeerscheinung. Eine, der sie in der Szene hochachtungsvoll huldigen. "Ich finde es unheimlich, wie heiß und motiviert Ole immer wieder aufs Neue ist. Seit 1992 ist er im Weltcup, man muss ihm Respekt zollen", meint der dreifache Olympiasieger von Turin, Michael Greis. Betrugsgerüchte oder Dopingspuren gibt es keine über den Norweger.

Bezieht der Skijäger ein Hotelzimmer, staubsaugt er es mit einem eigenen Gerät zuerst, um den Raum von Bakterien zu befreien. Danach bedeckt er den Boden mit Plastik. Hände schüttelt Björndalen ungern. Tut er es dennoch, wäscht er sie sofort. Vor Olympia meidet er Partys oder Ähnliches. "Manche mögen es für verrückt halten", sagt Björndalen, "ich nenne es professionell."

Im Training geht der Motorradfreund eigene Wege, der Branchenprimus studiert gar sein Schussbild zwischen den Runden selbst. Er fährt viel Mountainbike, macht Krafttraining: "Auch wenn man das nicht sieht."

Druck meistert er bravourös. "Wenn du unbedingt Null schießen musst, und du schaffst das, ist das ein Adrenalinschub. Du kriegst einen richtigen Kick, wenn du das perfekte Rennen machst." Und was vermisst einer wie Ole Einar Björndalen? "Nichts." Einen Moment später sagt er: "Außer mehr Zeit für die Familie."

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