Australien Open: Das deutsche Tennis geht durch ein tiefes Tal

Haas ist der letzte Deutsche von 20 Startern. DTB-Präsident findet andere bissiger.

Düsseldorf. In der Nacht von Freitag auf Samstag schaltet Georg von Waldenfels noch einmal den Fernseher an. Für Tommy Haas, der in der dritten Runde der Australian Open in Melbourne gegen Rafael Nadal spielen wird.

Und für sein eigenes Wohlbefinden. Denn von Waldenfels hat als Präsident des Deutschen Tennis-Bundes im noch so jungen Jahr den nächsten Tiefschlag schon wieder hinter sich: Haas ist der letzte Deutsche im Klassement des ersten Grand Slam des Jahres, nach zwei Runden auf dem fünften Kontinent sind insgesamt 19 deutsche Spieler und Spielerinnen ausgeschieden. Der Spitzensport lässt den Verband im Regen stehen. Oder ist es umgekehrt?

"Da gibt es nichts schönzureden", sagt von Waldenfels im Gespräch mit unserer Zeitung, "sportlich ist das alles sehr enttäuschend." Aber immerhin habe sich Haas zurückgemeldet. "Er ist gesund und wieder Leistungsträger", sagt von Waldenfels. Dieser Haas ist sein letzter Halt.

Jedes Jahr wird die Krise des Tennissports in Deutschland ausgerufen, seit Boris Becker, Steffi Graf und Michael Stich den Court geräumt haben. Und es ist das markanteste Zeichen dieser Krise, dass die steten Hoffnungsträger wie Nicolas Kiefer, Tommy Haas oder auch Rainer Schüttler allesamt die 30 überschritten haben. "Hoffnungsträger sollten eigentlich jünger sein", hat Kiefer einmal über sich selbst als Frontmann der deutschen Tennisszene gesagt.

Tragisch: Unter den deutschen Damen gibt es nicht einmal mehr diese "Alten", die ab und an vorgeschickt werden, um die schlimmsten Auswüchse der Tennis-Krise durch ein einziges Highlight abzumildern. Wie es Rainer Schüttler mit seinem Halbfinal-Einzug in Wimbledon 2008 geschafft hat. Von Waldenfels fällt dieser Triumph als erstes ein, wenn er nach der Dimension der Krise befragt wird.

"Das Jahr ist noch jung. Ich bin sicher, dass wir bei den anderen großen Turnieren Erfolg haben werden. Im vergangenen Jahr hat Deutschland auch wieder mit Schüttler in Wimbledon mitgefiebert", sagt der Präsident. Und er sagt: "Alles ist sehr schnelllebig."

Die Probleme allerdings sind andauernd. Die Einstellung junger deutscher Profis hat schon Boris Becker des öfteren beklagt, auch von Waldenfels sieht hier Nachholbedarf. Vor allem aus Osteuropa kommen die Konkurrenten, die ihr Racket derzeit am erfolgreichsten schwingen.

"Da gibt es keine vernünftige Infrastruktur für Tennis, und doch sind die immer vorn", sagt von Waldenfels und liefert die Erklärung gleich mit: "Weil sie den unbedingten Willen zum Erfolg haben. Die beißen sich da durch." Womit viel gesagt ist über die deutsche Generation.

An deren Ausbildung ist der Verband nicht unerheblich beteiligt, sein Einfluss auf den Profisportler sei aber dennoch nicht groß, sagt von Waldenfels. "Das sieht man zum Beispiel an Anna Lena Grönefeld. Die war ein sensationelles Talent. Und dann kommt ihr Trainer (Rafael Font de Mora, Anm. d. Re.) und macht mit seiner Arbeit alles kaputt."

Und ein Jungtalent wie Florian Mayer habe erst unlängst erklärt, keine Lust mehr auf Tennis zu haben. "Das darf nicht mehr passieren", sagt von Waldenfels fassungslos, der seine größten Hoffnungen mit Philipp Kohlschreiber verbindet.

Der hat in Australien in der zweiten Runde gegen den 36-jährigen Fabrice Santoro verloren. Und hat danach ernsthaft kritisiert, dass die Männer drei Gewinnsätze spielen müssen.

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