50 Jahre "Das aktuelle Sportstudio": Die Welt des Sports im Studio

Das Aktuelle Sportstudio im ZDF wird 50 Jahre alt. Die Geschichte liefert viele Perlen. Eine Hommage.

Osnabrück. Also machen wir es kurz, für den eiligen Leser. Im Sportstudio hat mal ein Schimpanse einer Frau die Perücke vom Kopf gerissen, dann hat ein Boxer im Interview zu jeder Frage geschwiegen, und schließlich hat eine Moderatorin „Schalke 05“ gesagt.

So. Können wir uns jetzt mal vernünftig über einen Klassiker der deutschen Fernsehgeschichte unterhalten? Eine Sendung, die seit 50 Jahren live — inzwischen nur noch semi-live, aber okay - jeden Samstag läuft? Eine Sendung, die mehr ist als ein paar ausgelutschte Anekdoten?

Eine Sendung, die etwas Neues gewagt und einen Stil geprägt hat? An diesem Samstag kommt die Jubiläumssendung, das Aktuelle Sportstudio des ZDF feiert 50. Geburtstag. Genau genommen zwei Wochen zu früh, aber doch passend: Denn das allererste Sportstudio wurde am 24. August 1963 ausgestrahlt — am ersten Spieltag der Bundesliga, die jetzt in ihre 51. Saison geht.

Die Liga und das Sportstudio sind einen gemeinsamen Weg gegangen, der ZDF-Klassiker ist die einzige Sendung, die ununterbrochen seit dem ersten Tag die Rechte an der Bundesliga hält. Bis heute sind die Spielberichte aus den Bundesligastadien Perlen des TV-Sportjournalismus; originell, fachkundig, kritisch und bewertend.

Der Kölner Torwart Fritz Ewert sowie die Trainer Horst Buhtz und Dettmar Cramer waren die Studiogäste bei der Premiere, die sich über drei Stunden hinzog. Als Moderator hatte das erst fünf Monate zuvor gegründete Zweite Deutsche Fernsehen den österreichischen Starreporter Heribert Meisel verpflichtet, der allerdings grandios scheiterte.

Damals wie heute dokumentierte zu Beginn eine Bahnhofsuhr den Aktualitätsanspruch der Sendung, während die von Thomas Reich komponierte und von Max Greger gespielte Titelmelodie „Up to Date“ den Showcharakter der Sendung signalisierte.

Denn das war das Neue der neuen Sendung: Sport war nicht nur Sport, sondern lieferte Stoff für Unterhaltung, für Gespräche, für Show. „Runter von der Tribüne — hin zum Athleten“ hieß das Motto der Stunde. Während die meisten Sportjournalisten jener Zeit die Aktiven von der hohen Kanzel beurteilten, holten die „Himmelsstürmer“ von Wim Thoelke die Athleten ans Mikro und ins Studio.

„Himmelsstürmer“, so nannte Thoelke das Team junger Reporter. Die Indianer hatten Mut: Sie stellten freche Fragen, holten nicht nur den Reiter ins Studio, sondern auch dessen Pferd. Sie zwängten sich in Tauchanzüge und ließen junge Frauen Vorschläge für originelle neue Trikots vorführen. Manchmal stürzten sie ab auf dem schmalen Grat zwischen Sport-Show und Sport-Bericht. Aber fast immer lieferten sie Gesprächsstoff.

Journalistische Höhepunkte waren die großen Streitgespräche. Doping, Sportpolitik, Fangewalt: Wenn es drauf ankam, setzte die Redaktion mutig Schwerpunkte. Die Dopinganklage von Brigitte Berendonk 1977 ist ebenso unvergessen wie die Sendung über und mit Fans, die Michael Steinbrecher im vergangenen Jahr auf dem Höhepunkt der Debatte um die Sicherheitsbestimmungen meisterhaft moderierte.

Steinbrecher, von Kürten ausgewählt und gefördert, verkörperte in den letzten Jahren besonders den journalistischen Anspruch der Sendung. „Wir müssen die Balance halten zwischen Unterhaltung und hintergründiger Berichterstattung“, sagt der 47-Jährige, der seit 1992 das Sportstudio moderiert und sich an diesem Jubiläumsabend verabschiedet.

Würde sich heute noch ein Politik-Journalist trauen, die Leitung der Redaktion und die Moderation des Sportstudios zu übernehmen? Hanns-Joachim Friedrichs schärfte das journalistische Profil und förderte die Reporter, die sich was trauten. Nur einen Fehler machte er: In seine Amtszeit fiel die Abschaffung der Torwand. Doch die Entscheidung hatte nicht lange Bestand.

Endlich. Endlich sind wir bei der Torwand. Viel Platz bleibt nicht mehr, also: 2,70 Meter breit, 1,83 hoch. Durchmesser der Löcher 55 Zentimeter. Schussdistanz sieben Meter. Netzer traf als erster fünfmal, Beckenbauer von einem Weizenbierglas, Ludger Beerbaum in Reitstiefeln, Bajramaj in Pumps, Pelé und Eusebio gar nicht.

Auch heute wird auf die Torwand geschossen. Und wir dürfen wieder sehen, wie der Schimpanse der Frau von Film-Tarzan Johnny Weissmüller die Perücke vom Kopf reißt, Norbert Grupe schweigend im Gespräch vertieft ist mit Moderator Rainer Günzler und Carmen Thomas „Schalke 05“ sagt. Vielleicht erzählt ja mal einer die Anekdoten hinter den Anekdoten: dass der Affe später auf den Anzug von Tarzan gepinkelt hat, dass der Boxer dem Moderator eigentlich eine Ohrfeige geben wollte — und dass sich Frau Thomas 2004 bei den Schalke-Fans entschuldigt hat.

“ Samstag, 22 Uhr/ZDF

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