Erst Arbeit, dann Hängematte

Die ersten Wochen auf einer einsamen Tonga-Insel erfordern jede Menge Macheten-Einsatz.

Tonga. Wir sind da. Die Kokosnusspalmen ragen vor uns in den Himmel, werfen ihre Schatten auf den Strand und sind nicht mehr so unnahbar zur grünen Masse verschwommen wie aus der Ferne. Raus aus dem Boot, barfuß in den Sand. Columbus-Feeling.

Am liebsten wäre ich auf die Knie gesunken und hätte eine Flagge gehisst. Hatte nur keine dabei. Das ist unsere Insel! Mit Besitzansprüchen sind wir schnell - bei diesem Anblick. Wie viele Monate haben wir warten müssen, um wieder in einer entlegenen Lagune zu sein.

Noch mal kurz zusammengefasst: Die Insel liegt mehr als 110 Kilometer entfernt von Tongas Hauptinsel, 40 Kilometer von der nächsten bewohnten. Und drum herum, eingepackt in wunderschöne Korallenriffe, finden sich ein paar weitere unbewohnte Inseln.

Genau was wir wollten und wofür wir teilweise teuer bezahlt haben: Die Frustrationsgrenze war auf der Suche nach diesem kleinen Fleck auf der Landkarte zwischendurch fast erreicht, wir haben Zufall und Glück gebraucht, um letztlich hier im Sand zu stehen.

Die Sonne knallt auf uns herunter, das Meer leuchtet türkisblau, selbst durch die Sonnenbrille. Es dauert nur wenige weitere Sekunden im neuen Paradies und der perfekte Platz für die Hängematte ist gesichtet, aber in der Realität beginnt diese Geschichte nicht mit Faulenzen. Falsche Vorstellung, es wäre zu schön gewesen. 40 Kisten und Kartons stehen noch am Strand, Reis, Mehl, Dosengemüse, Marktgemüse, Milchpulver, Breakfast Cracker, Eier, Früchte, Wasser. Der Vorrat für die nächsten drei Monate, verdächtig nah an den Wellen, die Flut kommt. Ein paar Kartons sind schon nass von der Bootsfahrt. Wie immer. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

Bis wir alles in Sicherheit geschleppt haben, vergeht eine Weile. Überleben gesichert. Das Boot legt ab, ohne uns. Und verschwindet bald hinter dem Riff. Der schönste Moment. Obwohl wir Menschen ja mögen, irgendwie erschreckend. Wir mögen eben auch die Einsamkeit. Von nun an beginnt eine andere Zeitrechnung in einer anderen, sehr unwirklichen Welt.

Wir machen erstmal einen Abendspaziergang um die komplette Insel. Dauert eine halbe Stunde, der Weg durch den trockenen Sand ist lähmend, weil wir immer ein Stück einsinken. Außerdem kommen wir an manchen Stellen ohne Einsatz von Macheten nicht voran, schweißtreibende Anstrengung. Auffällig ist, dass es auf der Westseite oft windstill ist - und wenn wir an der Nordspitze um die Ecke biegen, weht ein ordentliches Lüftchen.

Die Strömungen des Meeres sind auch deutlich stärker. Gut fürs Fischen, wie ich gleich festgestellt habe. Die Köder gibt es im Busch. Kleine Krebse, das wohl bevölkerungsstärkste hier. Z

wei Makrelen gingen mir prompt an den Angelhaken, was fürs offene Feuer. Dazu geröstete Kokosnuss. Die ersten Tage verbringen wir damit, uns einen besseren Eindruck von der Inselwelt zu verschaffen und das kleine Holzhaus zu beziehen, das mit dem Einverständnis der Eigentümer unser anfängliches Domizil sein wird. Es ist alles in die Jahre gekommen, die weiße Farbe löst sich vom Holz, die Regenrinnen sind teilweise zerstört, ein wildes Dickicht aus Tropenpflanzen erschwert den Zugang zur Tür.

Wir kontrollieren das Wichtigste: Der Regentank ist bis oben hin voll mit Wasser. Das brauchen wir hauptsächlich zum Trinken - das Wasser kochen wir vorher ab - und zum Duschen, wofür wir eine Blechschale verwenden. Und natürlich ist der Regentank von enormer Bedeutung für unsere Pläne, einen Garten anzulegen. Die ersten Setzlinge wachsen heran, Gurken, Kürbis, Tomaten, Auberginen, Bohnen, Wassermelonen. In einem verwilderten Garten, durch den wir uns erst mit Macheten schlagen müssen, finden wir weitere Dutzende Bananen und Papayas, viele fast reif.

Die einen knappen Kilometer lange und 200 Meter breite Insel wurde früher von lokalen Fischern genutzt, die hier ein paar Wochen im Jahr lebten und die vielen umliegenden Riffe befischten. Die Erde ist vulkanisch und „very healthy“, wie mir der Dorfälteste der nächsten bewohnten Insel voller Begeisterung erzählt hat, als ich mich bei ihm vorgestellt habe.

Das ursprüngliche Vorhaben, auf der etwas kleineren Nachbarinsel unserer jetzigen Robinson-Insel - so viele Inseln, das macht einen ganz durcheinander - eine kleine Palmenhütte zu bauen, mussten wir leider etwas verschieben. Das Meer ist die letzten Wochen noch zu stürmisch, um mit dem Kayak hinüberzupaddeln. Es war im Nachhinein ganz vernünftig, die sichere Holzhütte zu beziehen, Hurrikan-Saison. Aber auch an der riesigen Sandspitze im Norden unserer jetzigen Insel wollen wir ein kleines Palmendach bauen, sozusagen fürs Wochenende. Obwohl wir nicht mehr wissen, wann genau Wochenende ist.

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