„Schön, im Keller zu stehen“: 500 Jahre Reinheitsgebot

Bamberg (dpa/tmn) — „Dießen war als feuchtes Eck verschrien“, sagt Claus Bakenecker. „Viele Feiern, viel Bier, viel was weiß ich.“ Er und sein Kollege Martin Hug brauen ihr Bier selbst. Und damit holen sie ein Stück Geschichte zurück nach Dießen am Ammersee.

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100 Jahre lang gab es keine Brauerei in dem Städtchen. Im Unterbräu wurde 1915 das letzte Bier gebraut. „Als wir 2014 aufgemacht haben, sagten die Leute: "Endlich mal wieder eine Brauerei!"“, erzählt Bakenecker. Skepsis war aber auch da. „Craft“: Das hörte sich nach amerikanischer Pfuscherei mit zugesetzten Aromen und Konservierungsstoffen an. Als durchdrang, dass Craft Bräu sich an das Reinheitsgebot hält und das Bier schmeckt, war alles geritzt.

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Vor 500 Jahren wurde das Bayerische Reinheitsgebot von Herzog Wilhelm IV. verfügt, noch heute ist es im Prinzip verpflichtend, auch wenn die Hefe für den Brauprozess damals noch nicht entdeckt war. Wer heute nicht Malz, Hopfen, Hefe und Wasser verwendet und sich an ein paar andere Regeln hält, darf „Bier“ nicht auf das Etikett schreiben.

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Auf eine noch ältere Geschichte blickt die Klosterbrauerei Andechs zurück. „Seit 1458 gab es ein Schankrecht für Andechser Bier“, sagt Pater Valentin Ziegler, Wirtschaftsleiter des Klosters. Heute laufen Klosterbetrieb und hochautomatisierter Brauprozess parallel.

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Herr über den Brauprozess ist Betriebsleiter Alexander Reiss. „Das Reinheitsgebot ist sakrosankt“, sagt der Mann im Janker. „Das heißt aber nicht, dass wir noch wie vor 500 Jahren brauen.“ Der Braumeister greife nur noch ein, wenn etwas schief läuft. Obwohl man sich durchaus als handwerklich versteht — das Wort „Craft“ würde man sich in Andechs nicht aufs Etikett schreiben.

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Experimentierfreudiger ist Brauer Markus Hirthammer von der Mittenwalder Privatbrauerei unweit der Zugspitze. Die „höchstgelegene Privatbrauerei Deutschlands“ auf 930 Metern will im Jubiläumsjahr des Reinheitsgebotes noch höher hinaus: An der Bergstation des Karwendelmassivs plant man eine Braustätte für Craft-Biere.

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Hirthammer steht im alten Gewölbe mit mehreren großen Becken, in denen das Gebräu gärt und von Schaum bedeckt ist. „Es gibt Braumeister, die sind am Computer fit, haben aber noch nie eine Kräusendecke gesehen.“ An ihr könne er die Gärung verfolgen und sehen, ob der Sud etwas wird. „Für mich ist es schön, im Keller an den Becken zu stehen.“ Mit einer Schaufel schöpft er die luftige Masse ab. „So nehme ich dem Bier das Bittere.“

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In Bamberg wurde ein Reinheitsgebot bereits im Jahr 1489 erlassen. „Es gab eine Umgeldordnung, die auch eine Verdreifachung der Biersteuer brachte, also gab es das neue Gebot, um zu verhindern, dass die Brauer auf andere Zutaten ausweichen“, erklärt Matthias Trum, Geschäftsführer der Schlenkerla Rauchbier-Brauerei. Seine Biere bekommen den typischen Geschmack, weil das Malz über offenem Buchenholzfeuer trocknet.

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Auch das Schlenkerla profitiert vom Trend zu spezielleren Bieren. „Die Industriebiere mit ihren Einheitsgeschmäckern verlieren Marktanteile, und die Spezialitätenbrauereien gewinnen hinzu“, sagt Trum. Nur eine Institution stirbt aus: der Stammtisch. Junge Leute, die jeden Tag in die gleiche Kneipe gehen? „Das gibt es nicht mehr“, sagt Trum. Bei aller Liebe zum Bier.

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