Stadt auf dem Salz Lüneburg: Wildschweinknochen und weißes Gold

Lüneburg (dpa/tmn) - Die Eintrittskarte ist ein kleines Tütchen Salz. „Industriedenkmal, Deutsches Salzmuseum“ steht darauf. Willkommen in der Salzstadt Lüneburg. Mehr als 1000 Jahre lang hat das „Weiße Gold“ das Leben der Hansestadt bestimmt, ihren Bürgern Reichtum gebracht.

Das Salzwerk stellte den Betrieb 1980 wegen mangelnder Rentabilität ein. Nun befindet sich hier das Museum. Begrüßt werden Besucher in der Ausstellung von einem monströsen, illuminierten Steinsalzklotz. Eine Rampe führt hinab in einen nachgebauten Stollen. Die Lüneburger Solequellen kamen nicht bis an die Erdoberfläche. Sie mussten unterirdisch durch Bergwerksstollen nutzbar gemacht werden.

Seit dem 13. Jahrhundert wurden die Quellen in einen Solebrunnen geleitet und daraus an die Erdoberfläche gefördert. Der Salzstock beginnt etwa 40 Meter unter der Erde, mindestens 4000 Meter reicht er in die Tiefe. Lüneburg ist also wahrlich auf Salz gebaut.

Der Sage nach waren es pflanzenfressende Tiere, die den Menschen früher vielerorts den Weg zu salzhaltigen Quellen wiesen. In Lüneburg soll es ein Wildschwein gewesen sein. „Wir Lüneburger haben halt Schwein gehabt“, sagt Verena Fiedler, Stadtführerin und Lüneburgerin. „Unser Bodenschatz, das Salz, hat Lüneburg in der Hanse nach vorn katapultiert. Nürnberg war im Mittelalter die reichste Stadt. Dann kam schon Lüneburg.“

Nicht fehlen auf der Salzreise dürfen die Wildschweinknochen, die in einem kleinen Schrein unter der Decke des Rathauses baumeln. „Jäger erlegten im Wald eine Wildsau, deren eigentlich schwarz-braune Borsten eine weiße Kruste hatten: Salzkristalle“, so Fiedler. „Pfiffig dachten sie, die muss sich in einer Salzquelle gesuhlt haben. Man grub dem Wasser nach — und entdeckte die Quelle.“

Die gelernte Fotografin schlendert durch das Rathaus, dessen Grundstein 1230 gelegt wurde. 8000 Quadratmeter Regierungssitz, Wohlstand, so weit das Auge reicht. Salz war im Mittelalter wesentlich, weil es die einzige Chance zum Haltbarmachen von Lebensmitteln bot.

Das „Weiße Gold“ ist noch heute omnipräsent in der Stadt mit ihren 76 000 Einwohnern. Es gibt zum Beispiel die „Pralüne“, eine schokoladige Salzpralinenkreation mit Saukopf. Ein Restaurant serviert „Fisch in Lüneburger Salzkruste“. Kurz darauf weht ein magischer Duft aus Süß und Lecker durch die Straße, von der Lüneburger Bonbonmanufaktur. Salz-Lakritz-Pastillen, Salzlakritze, Lüneburger Salz-Stinte. Alles handgemacht.

Der wunderbare, klebrig-würzig-süßliche Geschmack auf der Zunge hält bis zum alten Salzspeicher am Hafen. Fiedler zeigt auf ein schmales, etwa 20 Meter langes, dunkles Holzboot. „Ein Ewer, ein Salzschiff. Darauf wurde das Salz als Schüttgut transportiert. Bis zu 20 Tonnen“, erklärt sie. Vom 14. bis Ende des 19. Jahrhunderts transportierten die Ewer das Lüneburger Salz über die Ilmenau Richtung Lübeck und Hamburg. Dort wurde es zwischengelagert, auf Koggen verladen und weiter verschifft. „Der Schiffsweg war sicherer als der mit dem Fuhrwerk“, weiß die Lüneburgerin. „Salz war Gold wert.“

Was nun noch fehlt, ist ein bisschen Entspannung nach den vielen Eindrücken. Die finden Touristen in der Salztherme Lüneburg. Baden, Saunieren, Wellness. „Früher war Lüneburg eine Salzstadt, nun ist sie seit ein paar Jahren auch Touristenstadt“, meint Henrik Rilke. Er ist Masseur und medizinischer Bademeister und pumpt wohlriechendes Massageöl aus einer Flasche. „Man braucht mehr Öl als sonst, weil Salz Öl aufnimmt“, sagt er. Wider Erwarten brennt es kein bisschen. Stattdessen regt das Salz die Durchblutung an. Am Ende eines langen Lüneburg-Tages fühlt man sich tatsächlich - sauwohl.

Meistgelesen
Altaussee und die Salzwelten lohnen einen
Der Schatz, verborgen im Berg
Bad Ischl und 22 weitere Gemeinden eröffnen neue Einblicke ins Salzkammergut. Erstmals ist eine alpine Region KulturhauptstadtDer Schatz, verborgen im Berg
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort