Singapur Zu Besuch in Tarzans Wohnzimmer

Singapur ist grün. Überall in der Millionen-Metropole gibt es gepflegte Parks und Gärten — Oasen zum Durchatmen. Am Rand der Stadt wartet sogar dichter Dschungel.

Der schmale Pfad ist kaum noch zu sehen. Bei jedem Schritt spritzen Wasser und Matsch an die Waden, Blätter liegen nass und glitschig am Boden und erschweren das Fortkommen. Vor Stunden hat es kurz und kräftig geregnet, jetzt hängt eine Dunstglocke über Singapur. Dampfend steigt die Feuchtigkeit auf, das Atmen fällt schwer. Der Schweiß rinnt ungehindert den Körper entlang, schon nach wenigen Minuten auf dem Wanderweg durch den Wald ist die Kleidung völlig durchnässt. Fast 35 Grad Celsius bei mehr als 80 Prozent Luftfeuchtigkeit machen jeden Spaziergang anstrengend wie einen Marathon. Gerade einmal zwölf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt ist das Blätterdach der tropischen Pflanzen und Bäume so dicht, dass kaum mehr Tageslicht auf den Boden fällt. Dichter Dschungel in Singapur — wer hätte das gedacht?

Singapur: Zu Besuch in Tarzans Wohnzimmer
Foto: D. Kebel

Meterhohe Farne ragen über den Trampelpfad, der sich immer tiefer in den Dschungel windet. Von tellergroßen Blättern tropft Feuchtigkeit, ab und zu raschelt es im Gestrüpp. „Zu sehen sind die Tiere selten“, flüstert Petra und schaut angestrengt ins Dickicht. Die Deutsche hat einige Jahre in Singapur gelebt und kommt regelmäßig dorthin zurück. Sie ist fasziniert von der Vielseitigkeit des Stadtstaates. Vor allem von der Natur, den riesigen Parkanlagen und dem unberührten Regenwald nördlich der Innenstadt: dem Bukit Timah Nature Reserve, das mit insgesamt 164 Hektar Singapurs größtes zusammenhängendes Regenwaldgebiet ist.

Das Rascheln kommt näher, die Spaziergänger bleiben stehen. Dann bahnt sich ein Waran seinen Weg aus dem Busch, tastet sich langsam voran. Einer solchen Riesenechse kommt man besser nicht zu nahe, vor allem ihr gewaltiger Schwanz ist eine gefährliche Waffe. Nach mehr als zwei Stunden lichtet sich der Dschungel, gibt den Blick frei auf tausende tropische Pflanzen und scheinbar ebenso viele Grüntöne und Blattformen. Palmen, Farne, Gummi- und Ficus-Bäume, Lianen, an denen etwa 30 Meter entfernt ein Affe schaukelt. Eine beinahe unwirkliche Szene, die an eine Filmkulisse erinnert. „Das sieht aus wie Tarzans Wohnzimmer“, lässt Petra ihrer Fantasie freien Lauf. Irgendwo endet der Dschungel ganz plötzlich, zum Beispiel am Parkplatz des Besucher-Centers am Hindhede Drive. Affen sitzen gelangweilt auf Autodächern und scheinen sich über die triefend nassen Wanderer lustig zu machen.

Sie sind die grünen Oasen der Stadt, Rückzugsorte vom Alltagsstress. Hierher kommen Menschen, die durchatmen oder Sport treiben wollen, Naturfreunde und Familien. Der Mac Ritchie Reservoir Park liegt nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und ist über die Thomson Road zu erreichen. Dennoch dringt über seine hohen Mauern und die noch höheren Bäume kaum noch Verkehrslärm herüber. Stille liegt über dem Park, Vögel zwitschern. Auf zwölf Hektar beheimatet das Reservat Wiesen, Wald und einen See, auf dem Kanuten trainieren. Am Ufer sitzen Besucher auf weiß gestrichenen Holzbänken.

Bereits 1867 wurde der Park angelegt, ein gut beschildertes Wegenetz durchzieht das gesamte Gelände und führt Ausflügler und Jogger zu Blumenbeeten, verwunschenen Pavillons und Wäldern. Durch den Park führen verschiedene Routen von einer bis zu fünf Stunden Dauer mit jeweils unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen. Nicht verpassen: den Tree Top Walk. Eine stählerne Hängebrücke führt über die Wipfel der Bäume und zeigt Schwindelfreien die Landschaft von oben.

Westlich der City lässt sich ebenfalls Natur entdecken — allerdings wohl geplant und hübsch angelegt. Im Botanischen Garten an der Cluny Road ist nichts dem Zufall überlassen. Liebevoll sind auf 63 Hektar Parkanlage Themengärten und Teiche gestaltet — auch das letzte übrig gebliebene Stück Primärurwald steht dort. Doch die Stars des Parks sind zweifellos die Orchideen. Ein separater Eingang führt in ihre Welt, die zunächst auf Schautafeln erklärt wird. Dahinter liegt eine verwunschene Oase, die auch den letzten Besucher vergessen lässt, dass er in einer Millionen-Metropole unterwegs ist. Denn dort stehen sie in voller Blüte: tausende Orchideen. Weiß, rosa, pink, dunkellila, mit winzig kleinen oder handgroßen Blütenblättern, buschig oder grazil an einem einzigen Stil emporragend. „Manche sind nach berühmten Personen benannt“, sagt Martine. Die gebürtige Südafrikanerin lebt seit mehr als 20 Jahren in Singapur und arbeitet für das Tourism Board als Stadtführerin. Sie zeigt die Orchidee „Lady Diana“: in einem schlichten, steinernen Topf mit zarten weißen Blüten.

Das Symbol Singapurs ist der Löwe, denn der Name Singapur kommt aus dem Sanskrit und setzt sich zusammen aus Singha (Löwe) und Pura (Stadt). Der Legende nach soll der spätere Herrscher Singapurs als junger Mann im 14. Jahrhundert im dichten Dschungel einem Löwen begegnet sein. Er wollte gegen ihn kämpfen, doch dann sahen sich beide in die Augen. Der Prinz senkte sein Schwert, der Löwe zog sich zurück. Dieses Erlebnis beeindruckte ihn so sehr, dass er Singapur „Löwenstadt“ nannte. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist ein Fabelwesen mit Löwenkopf und Fischkörper, der Merlion, das Maskottchen und der Schutzpatron der Metropole.

Doch das eigentliche Wahrzeichen ist seit 2010 ein anderes, das der Merlion von seinem Standort an der Mündung des Singapore Rivers anschaut: das Fünf-Sterne-Hotel Marina Bay Sands. Blau-glänzend erheben sich die drei flachen, eckigen Säulen fast 200 Meter hoch aus der gleichnamigen Bucht. Die drei Hoteltürme tragen eine 340 Meter lange Plattform, die an einer Seite 66 Meter ins Freie ragt. In dem Infinity-Pool, der zu den begehrtesten überhaupt zählt, können jedoch nur Hotelgäste planschen und aus 200 Metern Höhe über den Rest der Welt schauen.

Dem Hotel liegt das Grün der Bucht zu Füßen: Der Golfplatz und die Gardens by the Bay, natürlich ebenfalls ein Refugium der Superlative. Die 2012 eröffnete Anlage ist 101 Hektar groß und steht auf einem künstlich aufgeschütteten Landstück vor der früheren Uferlinie der Stadt. Zwei riesige, muschelförmige Gewächshäuser sind Teil des Parks. „Dort gibt es Pflanzen aus der ganzen Welt“, erklärt Martine und warnt: „Vorsicht, es ist kalt.“ Tatsächlich. Kennt man Gewächshäuser nur als tropisch warme Hallen, muss man in Singapur umdenken. Um fremde Pflanzen, Kakteen und Blumen am Leben zu erhalten, herrscht im Inneren des „Flower Dome“ und des „Cloud Forest“ Kälte. Nebelschwaden hängen in den gepflanzten Wäldern, ein Wasserfall stürzt metertief aus einer bewachsenen und Lianen verhangenen Wand, Aufzüge und Wege führen durch verschiedene Vegetationsebenen nach oben. Kühle Bergwälder sind dort nachgebaut, Besucher laufen auf einem Stahlgerüst in die Höhe. Mehr als eine Million Pflanzen beherbergt der gesamte Park, doch nicht alle sind echt: 18 Super Trees ragen 25 bis 50 Meter hoch aus der Anlage empor.

Bäumen nachempfundene, pflanzenbewachsene Stahlgerüste, auf deren Krone sich zum Teil Solarzellen befinden. So wird der Strom, den Gardens by the Bay zum Beispiel für Klimaanlagen oder das abendliche Illuminieren der Super Trees benötigt, tagsüber selbst erzeugt. Ein Skywalk für Besucher verbindet einige Super-Bäume in 22 Metern Höhe miteinander.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Singapore Airlines und dem Singapore Tourism Board.

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