Vom Make-up bis zur Rettungsinsel

In 90 Sekunden muss ein Flugzeug nach einer Notlandung evakuiert sein. Doch nicht nur das ist hartes Training.

„Step on, step on!“, ruft eine Frau hastig, dann Stimmengewirr, Poltern. Mit einem beherzten Ruck öffnet sich die Tür der Boeing, die junge Frau mahnt weiter zur Eile. Dann steht sie neben dem offenen Notausgang, aus dem im Ernstfall alle Passagiere das Flugzeug verlassen müssen. Heute übt die angehende Stewardess im Singapore Airlines Training Center noch und wird sogleich vom Ausbilder korrigiert: Ihre Fußspitzen stehen zwei Zentimeter zu weit vorn, das könnte das Aussteigen verzögern.

In 90 Sekunden muss ein Flugzeug nach einer Notlandung evakuiert sein, da kommt es auf Geschwindigkeit an. Vor allem beim Entriegeln der schweren Tür, das die jungen Leute einige Stunden lang üben werden. Zu diesem Zweck steht ein Kabinenteil in einer riesigen Halle — gegenüber eine echte halbe 777, in Originalhöhe montiert, zwei dicke, graue Gummirutschen hängen an der linken Seite bis zum Boden. „Hier wird das Rutschen geübt“, sagt Jason.

Dazu geht es zunächst einmal ins Innere der original bestuhlten Economy-Class. Lebensgroße Stoffpuppen mit dem Gewicht echter Personen sitzen angeschnallt und müssen geborgen werden. Technik und Kraft sind auf dem engen Raum gefordert, dann geht es zur Tür. „Wer zum ersten Mal springt, zögert am Rand“, sagt der Guide. Die Kante ist kaum zu sehen, man springt ins Ungewisse. Im Ernstfall muss die Crew auch Passagiere antreiben, jedes Zögern kann Leben kosten. Doch es geht nicht nur um die Reisenden. Auch Piloten brauchen Hilfe, wenn sie in ihren Sitzen eingeklemmt sind. „Wer hier runter springt, landet jedenfalls im Trockenen“, sagt Jason lachend und führt die Besuchergruppe in die nächste Halle.

Vom Make-up bis zur Rettungsinsel
Foto: Daniela Kebel

Wellen klatschen, lautes Rufen, wieder ein kleiner Teil einer Flugzeugkabine und irgendwo im Wasser treibt eine gelbe Rettungsinsel. Etwa zwei Meter über dem Wasser steht das Flugzeug, die Tür fehlt. In normaler Kleidung und mit Schwimmweste springt die Crew ins Becken. Künstlich erzeugte Wellen erschweren das Schwimmen zur Rettungsinsel, die etwa 15 Meter entfernt ist. Immer wieder müssen die Auszubildenden vom Beckenrand zu der Schlauchboot ähnlichen Insel schwimmen, manchmal noch einen Kollegen bergen.

Minuten dauert es, diese paar Meter zurückzulegen. Doch dort angekommen, ist es noch lange nicht geschafft: Unter der Wasseroberfläche hängt eine Schlaufe, in die man einen Fuß setzen muss. Wie auf einer Leiter. Doch weitere Stufen gibt es nicht, der Rest wird aus der Kraft der Arme an einem Griff am Rand gezogen. Als Zuschauer hat man fast Mitleid mit den jungen, schmalen Asiatinnen, die mehrere Versuche brauchen und letztlich von anderen in die Insel gehievt werden. Dazu die Hitze im Bad. Doch ein Notwassern im kalten Meer will sich wohl auch niemand vorstellen.

Immerhin: Wer dort trainieren darf, ist grundsätzlich an Bord. Denn die erste Hürde auf dem Weg zum Crewmitglied sind Frisur und Make-up. „Es gibt vier mögliche Frisuren für die Damen“, sagt die Stylistin von Lancôme, die normale junge Leute in elegante Stewardessen und Stewards verwandelt. Bei einigen werden die Haare kurzerhand abgeschnitten. Natürlich wird auch dort aufs Tempo gedrückt — und zwar mit Stoppuhr in der Hand. Sogar die Lidschattenfarben sind vorgegeben: In der Hierarchie gibt es vier Stufen für Stewardessen, die auch an der Kleidung zu erkennen sind, und jede hat bestimmte Farben für Augen und Lippen zur Verfügung. Übrigens: Die Purserin darf nur braunen Lidschatten tragen — aber dafür das knalligste Rot auf den Lippen.

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