„Sachsensausen“ in Tirol

Die Dresdner Alpenhütte ist der perfekte Ausgangspunkt für Bergaktivitäten.

„Sachsensausen“ in Tirol
Foto: Wolfgang Radau

Früher war alles anders auf dem Berg. „Die zu Fuß von Fulpmes und Neustift hier hoch kamen, waren Idealisten, Selbstversorger“, schildert der 75 Jahre alte Erich Hofer. Seine Familie hat seit 1906 in der inzwischen vierten Generation die Dresdner Hütte in 2308 Metern Höhe am Stubaier Gletscher in Tirol gepachtet. „Was heute die Heerscharen von Skifahrern sind, waren noch in meiner Jugend vereinzelte Tourengeher, die mit Steigfellen unter ihren Brettern mühsam aufstiegen, um dann die atemberaubende Abfahrt zu genießen.“

Schon vor mehr als 100 Jahren boten Wander-Hütten den Alpinisten Schutz vor den Unbilden der rauen Berge und ein sicheres Nachtlager auf Stroh-Matratzen. Die Berg-Verrückten waren zumeist betuchte Stadtleute mit romantischer Sehnsucht nach schroffen Gipfeln. Einer ihrer Lieblings-Wanderwege führte vom Stubaital übers Bildstöckljoch ins Ötztal und weiter übers Timmelsjoch nach Meran. Bergbahnen gab es noch nicht, nur Bergführer, wie auch Erich Hofer einer wurde.

Aber es gab Alpenvereine in Österreich und Deutschland, mit wachsendem Zulauf in den Regionen. Zum Beispiel in Dresden, der reichen Metropole. Bereits 1875 errichtete die Alpenvereins-Sektion Dresden im Stubai-Gebirge, nicht weit von Innsbruck, ihre erste kleine „Dresdner Hütte“. Bereits 1887 musste ein größerer, komfortablerer Neubau her.

Es folgten der Erste Weltkrieg, die Armut der Inflationszeit, die Enteignung und Gleichschaltung der Vereine im „Reichsbund für Leibesübungen“, der Zweite Weltkrieg. Dresden lag in Schutt und Asche, Dresdner suchten überall in Deutschland eine neue Heimat, und die Alpenvereine auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone waren aufgelöst und verboten.

In Wuppertal, wohin es den Juristen Dr. Wolfgang Rössler verschlagen hatte, gründete 1953 eine Schar von 30 verstreut im Westen lebenden Dresdnern eine neue Sektion Dresden des Alpenvereins. Die Vereinigung hatte sehr schnell Hunderte Mitglieder und übernahm 1956 aus österreichischer Treuhandverwaltung die alte Hütte zurück.

„Mitte der fünfziger Jahre gab’s auch wieder a Geld“, erinnert sich Pächter Erich Hofer. Es ging aufwärts mit dem Bergtourismus. Die zuletzt 2012 für fünf Millionen Euro modernisierte Hütte „wird wie ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb geführt“, sagt der ehrenamtliche Hüttenwart Ludwig Gedicke, ein Dresdner aus Mönchengladbach. „Sie gehört inzwischen zu den zehn größten Beherbergungsbetrieben im Stubaital.“

Erich Hofer, Hüttenpächter

Das verdanken die Dresdner der Erschließung des Stubai-Gletschers und der Fertigstellung der Gletscherbahn im Jahre 1973. „Die Bahn hat schlagartig alles verändert“, stellt Hütten-Pächter Erich Hofer fest. Die Hütte, an der Mittelstation der ultra-modernen Eisgratbahn gelegen, hat ein anderes Publikum bekommen. Früher war das Haus von Oktober bis Februar geschlossen. Im vergangenen Jahr wurden 23 000 Übernachtungen gezählt — 6000 im Sommer, fast dreimal so viele im Winter. Nicht eingerechnet sind die mit der Seilbahn angereisten Tagesgäste der gemütlichen Hütten-Gastronomie, die es mit jedem guten Tiroler Gasthof aufnehmen kann.

Und was unternimmt man von der Dresdner Hütte aus? Im Winter — klare Sache — Skifahren. Das geht zum Beispiel auf diversen Pisten von der 2900 Meter hohen Bergstation Eisgrat bis zur 1750 Meter hohen Talstation Mutterberg. Ganz oben, auf „Top of Tyrol“, kann man in 3000 Metern Höhe einen 200 Meter langen Rundgang durch das Innere des Gletschers unternehmen.

Wer sich schwere Bergtouren zutraut, kann den Stubaier Höhenweg in Angriff nehmen. Die Dresdner Hütte liegt in der Mitte einer U-förmigen Strecke, die acht Hütten verbindet. Am Ende sind in sieben Tagesetappen von je drei bis sieben Stunden Dauer auf mehr als 100 Kilometern Strecke auf 8000 Höhenmetern geschafft. Man kann aber auch einzelne Etappen angehen und an jeder Hütte auf- und abfahren.

Für Normal-Wanderer empfiehlt sich der Wilde Wasserweg: eine Strecke in drei Abschnitten von fünfeinhalb Stunden Dauer. Am Rand der gut begehbaren Pfade schildern illustrierte Hinweistafeln, wie das Wasser aus dem Gletschereis über Bäche und Flüsse am Ende ins Meer gelangt.

Noch einmal zurück zu den Sachsen, die der Dresdner Hütte ihren Namen gegeben haben. Die stürmen seit der Wende wieder „ihre“ Unterkunft, haben ein Hinweisschild aufgestellt — „Dresden 509 Kilometer“ — und veranstalten an jedem dritten Wochenende im Januar ihr traditionelles „Sachsensausen“. Eine Riesenslalom-Gaudi mit Siegerpokalen für alle Altersklassen — von den Zwergerln bis zu den Alten Herren und Damen. Und beim Après-Sausen am Abend wird, ausnahmsweise, die Hüttenruhe hinausgeschoben, die im Normalbetrieb ab 22 Uhr strikt einzuhalten ist.

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