Paddeln durch das Grüne Venedig

Das Marais Poitevin ist eine faszinierende Landschaft im Westen Frankreichs. Das Feuchtgebiet reicht von Niort bis zum Atlantik und ist durchzogen von hunderten Kanälen.

Paddeln durch das Grüne Venedig
Foto: dpa/Andreas Heimann

Es ist unglaublich still auf dem kleinen Kanal nicht weit hinter dem Ortsausgang von Coulon. Rechts auf einer Wiese steht bewegungslos ein Reiher. Und durch das dichte Grün am Ufer guckt neugierig eine erstaunlich große Bisamratte. Die Äste der Bäume auf beiden Seiten des Kanals berühren sich über dem Wasser.

„Kathedrale der Natur“ wird das Marais Poitevin deshalb etwas pathetisch genannt — oder auch „Grünes Venedig“. Wer einmal dort mit dem Boot gefahren ist, versteht beides sofort. Die 100 000 Hektar große Sumpflandschaft hinter der Atlantikküste, Frankreichs größtes Feuchtgebiet nach der Camargue, ist ein Naturparadies, ein einzigartiges Ökosystem — und eine Touristenattraktion.

Die meisten Besucher erkunden das Marais Poitevin mit dem Boot. Batais ist der traditionelle Name dafür. Früher war es aus Eichenholz, heute ist es oft aus Fiberglas. Bis etwa 1960 gab es eine Reihe von Orten, die ohne Boot gar nicht erreichbar waren. Und auch Tiere, Heu oder Baumaterial wurden damit transportiert.

Möglichkeiten zu Bootstouren gibt es viele. Eine der beliebtesten Stellen zum Einsteigen ist die Embarcadère Cardinaud in Magné etwas östlich von Coulon, der heimlichen Hauptstadt des Marais mit vielen netten Restaurants und behaglichen Hotels. Die ungewöhnliche, manchmal fast surreale Sumpflandschaft ist auch nirgendwo schöner als hier, wo es besonders viele Kanäle gibt. Im Sommer herrscht in diesem Teil des Marais Hochbetrieb, dann legen die Boote im Minutentakt ab. Aber im unendlich scheinenden System der Kanäle sind sie schon bald nur noch von weitem zu sehen.

Man kann das Marais alleine erkunden und dabei mit seinem Boot den markierten Wasserwegen folgen — oder eine Tour mitmachen, bei der bis zu zehn Passagiere auf den schmalen Bänken sitzen. Der Bootsführer steht im Heck, stakt mit seinem Paddel vorwärts und weist auf vieles hin, was seinen Passagieren sonst sicher entgehen würde. Wer es eilig hat, beschränkt sich auf eine Stunde. Eineinhalb sind Standard, möglich sind aber auch zwei, drei oder vier Stunden, für diejenigen, die sich an der Sumpflandschaft nicht sattsehen können. Manche Familien bleiben den ganzen Tag — samt Mittagessen an einem der Picknickplätze. Und wer das Besondere liebt, kann auch am ganz frühen Morgen oder erst abends starten.

Das Wasser in den Kanälen fließt ausgesprochen langsam. Bäume stehen so dicht am Ufer, dass man den Kopf einziehen muss, um nicht mit ihren Ästen zusammenzustoßen. Auf den Weiden links und rechts des Kanals sind Kühe mit hellem Fell zu sehen. Charolais heißt die Rasse, die hier verbreitet ist, auch wenn sie nicht von hier stammt. Anders als die Maraichine genannten braunen Kühe, die ebenfalls oft zu sehen sind.

Früher hatten die Bauern im Marais vor allem Milchkühe. Aber täglich zum Melken durch die riesige Sumpflandschaft zu den Weiden zu paddeln, war einfach zu aufwendig. Heute halten sie die Rinder nur noch zur Fleischproduktion. Bisamratten, auf Französisch Ragondin, sind in der Region ebenfalls Fleischlieferanten. Es gibt von ihnen so viele, dass sie gejagt werden müssen. „Paté de Ragondin“ gilt als kulinarische Spezialität und wird an vielen Stellen im Glas angeboten.

Rehe, Wildschweine, Marder, Fledermäuse und Fischotter leben ebenfalls im Marais. Und Aale natürlich, ein weiterer kulinarischer Klassiker.

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