Oman: Eine Reise ins Märchenland

Karge Gebirge, grüne Oasen, weiße Strände, Stille und Trubel: Das Sultanat Oman gilt als einer der facettenreichsten Golfstaaten.

Oman: Eine Reise ins Märchenland
Foto: Shangri-La Barr al Jissah Resort & Spa

Der Moment, wenn die Sonne vom Himmel sinkt, um hinter dem weiten Horizont abzutauchen, hat seine eigene Magie. Das Zwitschern der vielen Vogel-Arten, die vom frühen Morgen an in allen Tonlagen singen, verebbt. Sogar die flachen Wellen, die an den weißen Sandstrand schwappen, scheinen etwas leiser heranzurollen. Der Wind, der tagsüber angesichts der Hitze angenehm auffrischt, hat sich gelegt, die Luft wird weicher, die Atmung tiefer. Entspannung kehrt ein.

In Zeitlupe verwandelt das Abendlicht die zerklüfteten Felsen am Ende des Meeres von ockerfarben in hellgrau, dunkelgrau, schließlich in schwarz. Nach und nach verschwimmen ihre Konturen. Aber die Umrisse werden nicht unscharf, sondern vervielfachen sich, suggerieren einen zweiten Berg hinter dem ersten, einen dritten hinter dem zweiten, dahinter noch einen, jeweils um ein paar Zentimeter verschoben, wie bei einem Scherenschnitt. Ein zauberhaftes Bild, ein märchenhafter Moment: Sonnenuntergang an der Nord-Ost-Küste des Sultanats Oman.

Der Turtle Beach am Shangri-La Barr Al Jissah Resort & Spa nahe der Hauptstadt Maskat ist um diese Zeit, kurz nach 20 Uhr, so gut wie menschenleer. Bis auf eine Person, die, halb kniend, halb hockend, ihre Hände über dem Sand bewegt. Neben ihren nackten, staubbedeckten Füßen steht eine Kiste. Dort hinein greift der Mann mit der Schirmmütze und dem weißen Polohemd, holt etwas Grüngraues von Größe und Form einer Aprikosenhälfte heraus und setzt es ans Wasser: eine Meeresschildkröte — frisch geschlüpft.

„Aus 100 bis 120 Eiern schlüpfen 90 Prozent der Jungtiere. Aber nur zehn Prozent überleben. Das liegt an natürlichen Feinden, Krabben, Vögeln — und an der Sonne. Viele Schildkröten trocknen aus, bevor sie es aus dem Nest ins Meer schaffen“, schildert Mohammed Al-Hassani. Der 46 Jahre alte Omani aus dem Fischerdorf Quantab ist Turtle Ranger in dem Fünf-Sterne-Resort, seit es im Februar 2006 eröffnet hat. Im Rahmen des hoteleigenen Turtle-Care-Projekts „Sanctuary“ — einzigartig im Oman — kümmert er sich Tag und Nacht darum, dass die vom Aussterben bedrohten Tiere, ob frisch geschlüpft oder von weit herangeschwommen, ihren Weg durch den Sand überleben.

Grüne Meeres- und Echte Karettschildkröten kommen an die Bucht des Resorts. „Die Weibchen kehren zum Brüten dahin zurück, wo sie selbst geschlüpft sind“, sagt Mohammed. Dank ihm sind inzwischen alle 14 Jungtiere mit schnellen Schaufelbewegungen durch eine Spur im Sand ins Meer gekrabbelt. „Erst in 19 Tagen fangen sie an zu tauchen. Genauso lange überleben sie ohne Nahrung.“ Haupt-Schildkrötensaison im Oman ist zwischen Januar und August. 2011 zählte Mohammed vor Ort 146 eierlegende und knapp 10 200 geschlüpfte Tiere — bisheriger Rekord. 2015 waren es 100 Nester, 30 zerstörte ein Sturm, 3800 Jungtiere überlebten.

Als Mohammed mit seiner leeren Kiste verschwunden ist, um den nächsten Tag vorzubereiten — im hoteleigenen Eco Center wird er einer Touristengruppe das Leben der gepanzerten Meeresbewohner näherbringen —, liegt die Dunkelheit wie Samt über der Küste. Nebel steigt aus dem Meer auf, erhöht die Luftfeuchtigkeit, die tagsüber ganzjährig bei mehr als 60 Prozent liegt. Die Berge: schwarze Schatten vor schwarzem Hintergrund. Tausende Sterne funkeln. Vielleicht trug einst eine Atmosphäre wie diese dazu bei, dass der facettenreiche arabische Staat „Land aus 1001 Nacht“ genannt wird.

Entschieden emsiger geht es nach Sonnenaufgang auf dem Matrah Souk zu. Ein mystisches Flair haftet dem Markt, einer der ältesten im arabischen Raum und größter seiner Art im Oman, trotzdem an. Das liegt an den beleuchteten Nischen in den verwinkelten Gängen, in denen farbenfrohe Pashmina-Schals, handgefertigte Tonarbeiten, Silberschmuck, orientalische Lampen, arabische Traditionskleidung und Nippes auf Käufer warten. Zum anderen sind es die weiß gekleideten männlichen und schwarz verhüllten weiblichen Omani, die sich mit Touristen aus aller Welt mischen.

Direkt am geschäftigen Hafen des Stadtteils von Maskat liegt der Souk, nahe dem imposanten Matrah Fort sowie dem Riyam Park, über dem ein meterhoher Weihrauch-Brenner thront, Wahrzeichen des ehemaligen Handelszentrums.

Zusammen mit den kunstvoll gestalteten, überwiegend von Hand gefertigten Brennern aus Ton, die es im Matrah Souk zu kaufen gibt, gilt der getrocknete Baumharz als authentischstes omanisches Erzeugnis. Laut manch Einheimischem ist Weihrauch das einzige Heimatprodukt. Deshalb und wegen der gleichnamigen Straße — Jahrtausende vor Christi Geburt wichtige Handelsroute mit Ursprung im heutigen Oman — ist er bei Touristen als Mitbringsel begehrt. „Einer drei Euro, zwei fünf Euro“, ruft ein Düfte-Verkäufer in die Menge. Vor, neben und hinter ihm stapeln sich Tiegel, Dosen, Tütchen und Brenner in allen Varianten. Intensiv beobachtet er eine deutsche Touristin, die am Weihrauch schnuppert und Mixturen ausprobiert. Sie lässt sich Zeit. Ein ölglänzendes Gemisch aus schwarzen Holzsplittern, braunen und gelben Flöckchen soll es schließlich sein. „Sandelholz und Jasmin“, erklärt der Bärtige in Schwarz. Auf ihren Fünf-Euro-Schein gibt er der Kundin zwei US-Dollar zurück. „Es geht um das exotische Erlebnis“, kommentiert sie lächelnd. Tatsächlich zeichnet genau das den Oman aus: intensives Erleben — sei es zurückgezogen in der Natur oder inmitten quirliger Menschen.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Shangri-La und Oman Air.

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