Gesundheitsposten im Himalaya Mit Defibrillator nach Nepal

Ein deutscher Verein errichtet im Himalaya einen Gesundheitsposten mitten in den Bergen. Patienten sind oft tagelang zu Fuß unterwegs, um dort Hilfe zu bekommen.

Gesundheitsposten im Himalaya: Mit Defibrillator nach Nepal
Foto: Heiner Brock

Kathmandu. Der Angestellte beim Check-in am Flughafen ist alarmiert: Ein Gewirr von Kabeln zeigt sich auf dem Bildschirm, als er die sorgfältig verschnürte und wasserdicht verpackte Kiste mit Ziel Kathmandu durchleuchtet. „Was ist das?“, lautet seine etwas nervöse Frage. Die Erklärung, dass ich einen Defibrillator als Gepäck aufgeben will, lässt ihn die Stirn runzeln. Womöglich eine Bombe? Daher gleich noch ein Test auf Sprengstoff. Ein Mitreisender hat weniger Probleme: Sein prall gefüllter Zahnarztkoffer mit diversen Zangen, Skalpellen, Scheren, Spateln und Mundspiegeln wird ohne Nachfrage verladen. Kleine Schwierigkeiten auf dem Weg zur Einweihung eines „Health Post“, eines Gesundheitspostens im Westen Nepals auf 2000 Metern Höhe in der entlegenen Provinz Gulmi.

Gesundheitsposten im Himalaya: Mit Defibrillator nach Nepal
Foto: dpa/Bärbel Axtner

Der Mount Everest, Annapurna und andere Himalaya-Bergriesen mit ihren majestätischen schneebedeckten Gipfeln faszinieren Extremkletterer und abenteuerlustige Trekkingtouristen schon seit Ewigkeiten. Für die Menschen in der abgelegenen Bergregion rund um Banjhakateri ist das alles sehr weit weg, an Aktivurlaub denken sie nicht beim Anblick der wilden Schönheit der gigantischen Bergmassive. Für sie geht es Tag für Tag ums Überleben, medizinische Hilfe gab es für sie in der Region bislang kaum. In einer kleinen, lichtlosen Dorfhütte behandelten deutsche Ärzte zwei Jahre lang die Bewohner — und waren schnell überzeugt, dass mehr Hilfe dringend nötig war. Daher beschlossen engagierte Nepal-Freunde des deutschen Vereins „Brepal e.V.“, dort einen „Health Post“ zu errichten — finanziert allein durch Spenden.

„Man braucht 14 bis 16 Stunden auf der Straße von Kathmandu hierher“, beschreibt Initiator und Internist Dr. Klaus Eckert den mühseligen Weg. „Während der Regenzeit ist die Fahrt mit dem Auto nicht mehr möglich. Das ist viel zu gefährlich. Man muss mit heftigem Steinschlag und Bergrutschen rechnen. Außerdem sind dann die tiefen Schlaglöcher voller Wasser, die Jeeps bleiben stecken“, erzählt der engagierte Arzt.

Für etwa 8000 Menschen in der von Tälern und Bergen zerklüfteten Region bringt der Gesundheitsposten Hoffnung. Und so machen sich täglich etwa 50 bis 60 Frauen und Männer auf den beschwerlichen Weg — oft mit kleinen Kindern an der Hand oder auf dem Rücken — und ziehen acht bis zehn Stunden auf schmalen Pfaden durch die Berge, um in Banjhakateri ihre Schmerzen und Krankheiten lindern zu lassen. Oder um ihr Kind zur Welt zu bringen. Für manche ist die Strecke so weit, dass sie zwischendurch in einer Hütte bei Verwandten übernachten.

Auch für uns ist die Anreise in die Berge langwierig und mühsam, doch längst nicht zu vergleichen mit den Anstrengungen der Nepalis. Nach unserer ersten Tagesetappe steigen wir am nächsten Morgen in robuste Allrad-Geländewagen um. Defibrillator, Zubehör für rauchlose Öfen, Arztkoffer, Medikamente, Rucksäcke und Taschen stapeln wir auf Dach und Ladeflächen, auch der Innenraum wird bis in den letzten Winkel vollgestopft.

Dichtgedrängt hocken wir auf den Sitzbänken. Nach einigen Stunden ist die Straße zu Ende, eine schmale, lehmige Piste führt ab jetzt in Serpentinen die Berge hoch. Kratergroße Löcher zwingen unseren Fahrer zum Slalom, hin und wieder muss er einem Felsblock ausweichen, der auf den Weg gestürzt ist. In der Ferne erhaschen wir von Zeit zu Zeit einen flüchtigen Blick auf gewaltige, schneebedeckte Berge. Ein überwältigendes Panorama, das die Strapazen und das Rumpeln auf der Schlaglochpiste immer wieder für einen Moment vergessen lässt.

Nach sieben Stunden erreichen wir endlich unser Ziel. Durchgeschüttelt, müde, durstig und zufrieden, die Strecke hinter uns gebracht zu haben. Zur Begrüßung bilden die Dorfbewohner ein Spalier, jedem Gast hängen sie einen großen Blumenkranz mit Hibiskusblüten um und tupfen ihm einen dicken roten Punkt auf die Stirn. Der riesige Berg aus Gepäckstücken wird entladen, die Geräte aufgestellt und angeschlossen — sie sind bereit für die ersten Patienten. Erst spät in der Nacht kehrt Ruhe ein.

Der nächste Morgen beginnt kühl. Dichter Nebel liegt über dem Dorf zu unseren Füßen, eingepackt in eine weiße Wolkendecke erstreckt sich vor uns ein weites Tal. Kein Laut ist hier oben zu hören, absolute Stille umgibt uns. Einige Minuten später lichten sich die Schleier und machen den ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages Platz. Langsam kriecht der Feuerball herauf und taucht die Berge am Horizont in orange-gelbes Licht. Eine atemberaubende Kulisse.

Am Eingang des „Health Post“ warten bereits die ersten Patienten auf Gesundheitsassistent Bishnu Busal (27). Hebamme Laxmi ist für die Behandlung der Frauen und Geburten zuständig. „Häufig kommen die Kranken mit Diarrhöe, Typhus, Hautmilben oder Lungenentzündungen zu uns“, sagt Bishnu. „Viele haben auch Rücken- und Gelenkschmerzen, Arm- und Beinbrüche oder Quetschungen von Unfällen auf der Straße oder bei der Arbeit.“ Er sei sehr glücklich, dass er jetzt in diesem neuen „Health Post“ arbeiten könne, sagt der junge Nepali und seine Augen strahlen. „Damit können wir den Menschen hier oben noch besser helfen.“

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