Kneipen mit Kultfaktor: Auf Cantinas-Tour in Mexiko-Stadt

Mexiko-Stadt (dpa/tmn) - Die Schwingtüren schaukeln, hinein geht es in die Cantina „Nuevo León“ in Mexiko-Stadt. Hinter dem Tresen des bescheidenen Lokals stapeln sich Flaschen mit Tequila, Orangenlikör und weiteren mexikanischen Spirituosen.

Kneipen mit Kultfaktor: Auf Cantinas-Tour in Mexiko-Stadt
Foto: dpa

Fußballplakate hängen an den Wänden.

Die Bar im historischen Stadtkern der Millionenmetropole öffnete 1924 erstmals ihre Türen. Seit fast 30 Jahren steht Barmann Feliciano Martínez hinter dem Tresen der typisch mexikanischen Cantina. „Wir sind eine der authentischsten Cantinas, die es gibt“, sagt er stolz.

Er bediene Geschäftsleute, Dozenten und Touristen, zählt Martínez auf. Auch viele Richter des benachbarten Gerichtsgebäudes kämen in das Lokal. Warme Küche gibt es allerdings nicht. „Wir servieren nur Alkohol und Snacks“, betont Martínez, während er aus Tequila, Orangenlikör und Limettensaft Margarita-Cocktails mixt.

Um die kalten Häppchen kümmert sich Doña Guille. Sie war einst Köchin im „El Nivel“, der ältesten Cantina der Stadt. Als die Bar 2008 nach rund 150 Jahren Betrieb dicht machte, stieß Guille zum Team des „Nuevo León“. Die Gäste lieben ihre sogenannten Tortas, typisch mexikanische Sandwiches - am liebsten mit Fleisch belegt.

Wenn die Dämmerung einbricht, herrscht Hochzeit in den Cantinas in Mexikos-Stadt. Sie sind eine Mischung aus Café und Restaurant, und die Tradition der urigen Kneipen reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück, wie der Stadtchronist Salvador Novo schrieb. Doch der Besuch der Lokale sei lange Zeit nur Männern vorbehalten gewesen. Das habe sich inzwischen geändert. Die Cantinas gehörten zum Kulturerbe Mexikos, sagt der Historiker Francisco Ibarlucea von der Iberoamerikanischen Universität der Hauptstadt. Hier träfen Künstler, Politiker, Poeten und die einfache Bevölkerung aufeinander, sagt er.

Barmann Héctor Hernández war gerade mal 17 Jahre alt, als er in der Cantina „Bar Mancera“ als Tellerwäscher anfing. Seitdem sind 43 Jahre vergangen, im Laufe der Zeit hat er auch der mexikanischen Prominenz Drinks serviert. „Immer wenn jemand Berühmtes kommt, rufen sie mich“, sagt der Mexikaner lächelnd, in jeder Hand ein Glas Michelada - ein mexikanisches Biergetränk mit Salz, Limettensaft und Tabasco. Um nichts in der Welt würde er seinen Job tauschen wollen, sagt Hernández. „Es ist schön, die Leute zu bewirten und dafür zu sorgen, dass sie sich wohlfühlen.“

Mit Engelfiguren an der Decke und Ölgemälden an den Wänden ist die 1912 eröffnete „Bar Mancera“ eine besonders elegante Cantina. Stimmungsvoll glänzt die Mahagoni-Bar im Dämmerlicht. Die Auswahl der Drinks ist groß, doch die Gäste trinken maßvoll. Die Zeiten der berühmt-berüchtigten Cantinas-Prügeleien seien vorbei, heißt es. „Die Leute betrinken sich nicht mehr so wie früher“, sagt Hernández.

Zu Spitzenzeiten der bodenständigen Lokale habe es in Mexiko-Stadt an die 1200 Cantinas gegeben, erzählt Ibarlucea, der Führungen durch die traditionellen Kneipen anbietet. „Jede Cantina hat ihren eigenen Charakter“, sagt er. „Sie sind Teil der Geschichte Mexikos.“ Doch er sieht mit Sorge, wie immer mehr neue und moderne Bars aus dem Boden sprießen und ihnen Konkurrenz machen. „Die Cantinas könnten verschwinden“, warnt er.

Noch haben die traditionellen Kneipen aber viele Fans. Die Cantina „Salón Tenampa“ ist vor allem wegen der zu Gitarrenmusik singenden Mariachis bekannt. Letztes Jahr feierte die Bar ihr 90. Jubiläum. Die Cantina zieht außer den Hauptstädtern auch Gäste aus ganz Mexiko und dem Ausland an. Lachend erhebt an einem der Tische eine Gruppe junger Frauen ihre mit rosa Granatapfel-Punsch gefüllten Gläser - der Drink ist eine Spezialität des Hauses. Hier jedenfalls sieht es nicht so aus, als würden die Cantinas bald verschwinden.

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