„Ironman“ auf Mallorca: Treffpunkt der „Eisernen“

Thomas Cook hatte zum „Ironman“ auf die Insel geladen und 3300 Sportler kamen.

Palma. Die Beine sind schwer wie Beton — was am Ende eines langen Triathlon-Tags auch bei den besten Athleten vorkommen soll. Die Gesichtshaut hat einen rosigen Teint bekommen — bei Sonnenschein und Meerluft eine ganz natürliche Reaktion. Den Rücken gibt es auch noch — er meldet sich mit leichten Verspannungen.

All’ das ist nicht überraschend und doch verwunderlich. Denn es kommt auf die Seite an, auf der man steht: Als Sportler darf man sich getrost bejubeln, bemitleiden und bewundern lassen. Aber als Zuschauer? Ist die passive Rolle nicht für Warmduscher, Badewannen-Taucher und alle anderen Arten von Drückebergern reserviert? Mitnichten!

Wer beim „Thomas Cook Ironman 70.3“ auf Mallorca auf Tuchfühlung mit gestählten Profi-Athleten gehen will, hat zwei Möglichkeiten, um angesichts ihrer beneidenswert durchtrainierten Körper die Verfolgung aufzunehmen: Die Bucht von Alcudia ist die beste Basis, um den eigenen Ehrgeiz zu entdecken oder das Ganze respektvoll und aus der Distanz zu betrachten. Beides ist schweißtreibend. In unterschiedlicher Form, versteht sich.

Während Weltklassesportler insgesamt 113 Kilometer zurücklegen, sind auch die anfeuernden Zuschauer mit großer Ausdauer auf Achse. Sie erleben eine Mischung aus Denksport, Foto-Marathon (für den besten Schnappschuss muss man sich immer wieder neu positionieren) und zahlreichen Sprints von einem Wettkampfbereich zum nächsten.

Die Abwechslung hält fit: Der Ironman, auf der spanischen Ferieninsel auf der sogenannten Mitteldistanz ausgetragen, ist ein permanenter Spagat zwischen Revierverteidigung und Neuorientierung. Nicht nur für die aktiven Sportler, auch fürs Publikum.

Denn auch Zuschauer haben drei Disziplinen zu meistern: Sie können mitdenken, mitlaufen, mitknipsen. Wer startet wann? Wo ist die Sicht auf Schwimmer, Radfahrer und Läufer am besten? Wann muss ich wo sein, um Anschluss an das Hauptfeld zu haben? Auch für Zuschauer zählt jede Sekunde.

Die Ausgangsvoraussetzungen sind ideal: Zwar verlieren die Fans, die am Strand die Stellung halten, die Starter während der 90 Kilometer langen Radstrecke zwangsläufig aus dem Blick, dafür können sie Schwimmer und Läufer perfekt observieren. Denn der letzte Konditionstest hat es noch einmal in sich: Der Halbmarathon spielt sich in drei Runden ab. So gibt es für die Schaulustigen immer etwas zu sehen. Zumal die Laufstrecke am Strand frisch asphaltiert wurde. Als „Formel-Eins-Strecke“ preist sie Organisator Kai Walter augenzwinkernd an. „Es gibt also keine Entschuldigung mehr, nicht schnell zu laufen“, scherzt er.

Auch Michael Tenzer, bei Reiseveranstalter Thomas Cook normalerweise auf der Chef-Etage anzutreffen und selbst zum dritten Mal dabei, schwört auf die Gemeinschaft der Mehrkämpfer: „Triathlon ist wie Porsche fahren. Begehrenswert, aber nicht jeder schafft es.“

Die einen beginnen bereits, sich während des Sprints vom Wasser zur Wechselzone auszuziehen. Die anderen warten bis zur vorbereiteten Sitzbank, trocknen sich dort die Füße ab, falten Handtuch und Kleidung, legen alles fein säuberlich in den Starterbeutel, kämmen sich noch einmal die Haare.

Die Mischung macht’s. Das findet auch Andreas Raelert (36), der am Ende Dritter wird. „Der Triathlon lebt vom Enthusiasmus“, betont der Rostocker, der die Weltbestzeit auf der Langdistanz hält (7:41:33 Stunden). „Das ist das Tolle: Hier gehen Profis und Laien gemeinsam an den Start. Der einzige Unterschied ist die Zeit an der Ziellinie. Auf dem Weg dorthin machen wir alle dieselben Erfahrungen.“

So ist der Ironman unter mallorquinischer Sonne für die meisten der Auftakt der europäischen Saison: Für die Athleten an der Weltspitze ist es ein Rennen zum buchstäblichen Warmwerden, für andere ist es der erste Mehrkampf überhaupt, für manche auch die willkommene Gelegenheit, nicht direkt das Mammutprogramm zu stemmen, sondern lieber als Teil einer Staffel Triathlon-Luft zu schnuppern.

Maria Herold, Martin Widenka und Jan Hinrichs gehören zu den glücklichen Trios, die ihre Premiere als Team erleben. „Für mich war es der erste Wettkampf im Meer“, erzählt die Schwimmerin, die sich als Erste der Drei beweisen musste und danach nur noch die Daumen drücken konnte. „Beim Start der anderen ist man so aufgeregt wie bei seinem eigenen.“

Bianca Grosse widmet sich rund 20 Stunden pro Woche ihrer schweißtreibenden Leidenschaft. Ein Einsatz, der sich lohnt: Die gelernte Medientechnikerin hat sich bei den Frauen in ihrer Altersklasse den ersten Platz erkämpft — als Nicht-Profi, wohlgemerkt.

Wie sie dazu gekommen ist? Die 36-Jährige, die nach 4 Stunden, 54 Minuten und 16 Sekunden strahlend ins Ziel einläuft, schmunzelt: „Ich habe früher nie Sport gemacht, erst mit 30 begonnen zu joggen. Zuerst war ich eine Wald- und Wiesenläuferin.“ Nun aber ist sie der Faszination Triathlon erlegen.

Auch für Frank Busemann ist es gut gelaufen. Warum er als Staffel-Starter den Halbmarathon absolviert hat? Weil das „Abenteuer Triathlon“ schon im Flugzeug begonnen hat: „Es macht auch Spaß, zu Hause zu laufen. Aber hier ist ein tolles Event, eine Reise, ein ganz besonderes Erlebnis. Am Start dachte ich schon: So ein Triathlon wäre auch was Schönes. Aber es ist utopisch für mich. Beim Schwimmen käme ich nie an . . .“

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