Gebetstanz und Pflanzenretter: Auf den Spuren der Maya

San Cristóbal de las Casas (dpa/tmn) - Entgegen esoterischer Lesart des Maya-Kalenders ist die Welt doch nicht untergegangen. Es bleibt also weiterhin Zeit, das Land der Maya zu erkunden - auch wenn diese vom Rummel um den Weltuntergang bisher kaum profitiert haben.

Der Kirchenraum von San Juan Chamula ist voll besetzt. Auf dem losen Teppich aus langen Piniennadeln sitzen Hunderte von Menschen in kleinen Gruppen dicht beieinander. Die Frauen tragen lange Röcke aus schwarzem Schafsfell, die Männer helle Sombreros.

Der Patronatstag der Virgen del Rosario, der Jungfrau des Rosenkranzes, ist einer der wichtigsten Festtage des Mayavolkes der Tzotzilen. An diesem Sonntag pilgern mehrere Tausend Mitglieder der größten indigenen Volksgruppe des mexikanischen Bundesstaates Chiapas aus den Bergen nahe der Stadt San Cristóbal de las Casas in den Flecken Chamula. Die Straße ist dicht gefüllt mit Händlern, die Obst, Gemüse, und Haushaltsgeräte, Geschirr, Kühlschränke und Gaskocher anbieten. Und natürlich wird an allen Ecken Essen zubereitet.

In der Kirche hat der katholische Priester Ángel Gustavo López Mariscal alles im Griff. Er bereitet sich darauf vor, in diesem bunten Chaos aus Musik, Gesang, Gemurmel und Tanz eine Messe zu feiern. In seinem beigen Priestergewand schiebt er sich durch die Menschenmassen und legt den Kindern und Frauen die linke Hand auf den schwarzen Haarschopf, mit der rechten segnet er sie. „Wir respektieren ihre Kultur“, sagt der Priester. „Sie haben ihre Form zu beten, und sie tun das, indem sie tanzen. Das ist ihr Gebet.“

Auch Don Ángel schunkelt im Rhythmus der Musik hin und her, als er „Hallelujah“ ins Mikrofon ruft, um mit der Messe zu beginnen. „Gottes Gnade komme über uns.“ Gegen den Lärm kommt der kleine Lautsprecher nicht an. Die in Schafsfelle gehüllten Messdiener bringen ein Weihrauchfass zum Altar. Der Priester predigt: „Es gibt nur wenig Scheidungen und viel Liebe unter uns. Aber ich bitte Euch: Schlagt Eure Frauen nicht“, und in Tsotsil fügt er hinzu: „Schlagt sie nur ein wenig, wenn es unbedingt sein muss.“ Zur Kommunion kommen am Ende etwa zehn Gläubige.

Rund 200 Kilometer südöstlich im Dorf San Nicolás unweit der berühmten Seen von Montebello an der Grenze zu Guatemala streichelt Donja Soila ein Blatt der Orchidee „Herzensauge“. Die 34-jährige Angehörige des Mayavolkes der Tseltalen hat mit 30 weiteren Frauen die Kooperative Orquideario Cinco Lagos gegründet. Mitte der 1990er Jahre hatte ein Großbrand einen großen Teil der Wälder an den Seen zerstört.

„Wir sind damals in den Wald gegangen und haben Pflanzen gesammelt, um sie vor den Flammen zu retten“, erzählt Soila. „Wir haben sie in unsere Gärten gebracht und dort gepflegt.“ Jetzt bringen die Frauen die Orchideen zu den Beeten, die oft aus faulenden Baumstämmen und bemoosten Holzkästen bestehen, an einen dicht bewaldeten Hang über dem Dorf. „Der Orchidee gefallen die Baumstämme“, sagt die Pflanzenretterin. Sie zu erhalten, sei ein Beitrag zur Rettung des Waldes. „Denn das ist unsere Aufgabe. Es ist auch unser Ziel vom Wald zu leben, ohne ihn zu zerstören.“

Und das ist rund um den Lacandonenwald mit den geschützten Montes Azules, den Blauen Bergen, bitter nötig. Vor über 200 Jahren haben die Menschen damit begonnen, diesen dichten und abgelegenen Urwald im Osten von Chiapas erneut zu besiedeln und auszubeuten, nachdem die Maya dort die großen Pyramidenstädte vor einem Jahrtausend verlassen hatten.

Zunächst kamen im 18. Jahrhundert die Lacandonen, Maya aus Yucatán. Ihnen folgten Missionare, Forscher, weitere Maya aus anderen Gebieten von Chiapas, Tsotsilen, die Chuj, Tseltalen, Zoque. Sie begannen damit, den Wald zu roden, um Landwirtschaft zu betreiben.

Und dann kamen die großen Viehzüchter, die bis heute Waldflächen niederbrennen, um ihre Herden dort weiden zu lassen. Daneben breiten sich Zementhersteller aus und brechen den Kalkstein aus den Bergen. Der Lacandonenwald hat nur wenige Chancen zu überleben, wenn die Zerstörung nicht aufgehalten wird. 1963 gab es noch über eine Million Hektar, 1974 war er auf 600 000 Hektar geschrumpft, wie der Forscher Jeffrey Wilkerson zu Beginn der 1990er Jahre herausfand.

Die Probleme kennt Octavio Elias Albores Cruz zur Genüge. Er ist als Bürgermeister von Ocosingo Chef des flächenmäßig wohl größten Municipios von ganz Mexiko. Ocosingo, auf halbem Weg zwischen San Cristóbal und den berühmten Pyramiden und Tempelruinen von Palenque, nennt sich „Das Tor zum Wald“.

Zu dem Municipio gehören echte Attraktionen. Neben den bunten Mayavölkern und dem Erbe ihrer Vorfahren, die in den Urwäldern Pyramidenstätte wie Yaxchilán in einer Schleife des Urwaldflusses Usumacinta, Toniná und Bonampak hinterlassen haben, sind es vor allem die Attraktionen der Natur: der Urwald mit seinen wilden Tieren, Flüsse, Seen, Lagunen, Höhlen und Wasserfälle. Aber das gebirgige Gelände ist immer noch nur schwer erreichbar.

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