Reise-Berichte Gasteiner Tal: Die Bademantel-Eisenbahn

Im Inneren des Graukogel-Bergs herrscht ein einzigartiges Heilklima.

Bei dieser Eisenbahnfahrt ist alles anders. Draußen, vor dem Bahnhof, fällt dicker, weißer Tauern-Schnee. Die Fahrgäste am Bahnsteig tragen Bademäntel und Gummischlappen. Der Zug führt Abteil- und Liegewagen für 122 Passagiere. Der Zugführer wünscht ein freundliches „Glück auf“. Ein Pfiff, dann geht’s zwei Kilometer in den Berg hinein. Da drinnen herrschen bis zu 41,5 Grad Celsius und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Was suchen bis zu 500 Menschen am Tag in einem Stollen? Dr. Simon Gütl (56), Ärztlicher Leiter des Gasteiner Heilstollens, zählt auf: Linderung bei Erkrankungen des Bewegungsapparates, der Atemwege, der Haut. Zum Beispiel Rheuma, Arthrosen, Asthma, Neurodermitis. „Oder aber sie kommen einfach, um körperliche Energie nachzuladen.“

Erste Erfahrungen haben Bergleute Mitte der 40er-Jahre gemacht. Sie gruben nach Gold und Silber — ohne Erfolg. Aber im feucht-warmen Stollen waren nach und nach die Zipperlein, hervorgerufen durch ihren schweren Beruf, wie verflogen. Da musste also etwas sein.

Wissenschaftler fanden heraus: Die weltweit einzigartige Kombination von Radongehalt, Luftfeuchtigkeit und Wärme aktiviert körpereigene Selbstheilungskräfte und lindert Schmerzen über längere Zeiträume. Dr. Gütl: „Es ist nachgewiesen, dass niedrig-dosierte Radon-Aufnahme über die Haut und durch die Lunge auf sanfte Weise die gleiche Wirkung hat wie sündhaft teure Biologica.“

Zurück in die Bademantel-Eisenbahn: Nach zehn Minuten fährt der Zug in Station 1 ein. Uns empfangen 37 Grad Wärme und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit. Die Mitreisenden verteilen sich auf Liegen, breiten ihre Leinentücher aus und lauschen entspannender Musik. Die wird immer leiser — schon bald hört man wohliges Schnarchen.

30 Minuten dauert die allererste Berg-Tour. Mit jeder Einfahrt — eine effektive Therapie dauert zwei Wochen mit zehn bis zwölf Ausflügen — steigert sich die Belastung. Am vierten Tag ist Endstation 4 erreicht: 41,5 Grad Wärme, 100 Prozent Luftfeuchtigkeit, eine Stunde Aufenthalt.

Wenn gegen Ende der Zeit die Musik wieder anschwillt und die Patienten sich langsam aufsetzen, fließt der Schweiß wie nach einem Sauna-Aufguss. Die Rückfahrt mit dem Schmalspur-Bähnle fördert zunächst das Ausschwitzen. Kurz vor der Zielankunft hält der Zug noch einmal an der „Bademantel-Station“. Dort mummelt man sich für die letzten Meter wieder in den Frottee-Überzieher. Es soll sich ja niemand erkälten auf dem Bahnsteig.

Die Reise in den Stollen ist nicht die einzige Möglichkeit, die Segnungen des Gasteiner Tales zu genießen. Das verdanken die Österreicher ihrem Kaiser Franz-Josef. „Der hat uns die Elisabeth-Quelle geschenkt“, weiß man in der neuen öffentlichen „Alpentherme“ in Bad Hofgastein. Eine Pipeline führt Tag für Tag eine Million Liter des heilenden Wassers in den Kurort. Dort verzweigt sich die Wasserleitung. Auch die Kurhotels bekommen etwas ab vom Segen.

Im familiär geführten Hotel Bismarck zum Beispiel kommen jeden Tag 290 000 Liter des heilenden Wassers an. Das kostbare Nass wird ent-radonisiert, auf Badetemperatur heruntergekühlt und als mineralhaltiges Wasser in die Innen- und Außen-Bäder geleitet. „Radonhaltiges Wasser gelangt nur in spezielle Kur-Badewannen und Dunst-Badekabinen“, versichert Bismarck-Chefin Christina Wendler. „Dort kurt man, ebenso wie im Heilstollen, nach kurärztlicher Verordnung.“

Bleibt die Frage, was das Hotel Bismarck mit dem Gründungsvater des Deutschen Reiches zu tun hat. „Bismarck kam regelmäßig nach Gastein und führte neben der Kur politische Gespräche“, sagt Hotelchefin Wendler. Und fügt schmunzelnd hinzu: „Als mein Vater 1966 aus einer kleinen Frühstückspension ein Hotel machte, wählte er den Namen Bismarck, weil der mit einem B anfängt und damit in allen Verzeichnissen weit vorn steht.“

Der Autor reiste mit Unterstützung von Gastein-Tourismus.

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