Flußkreuzfahrt: Von Passau nach Budapest „schippern“

Die Donau boomt — und das Durchschnittsalter an Bord sinkt. Nicht nur, weil Enkel mit Oma und Opa reisen.

Düsseldorf. Nach einer Woche auf dem Kabinenschiff „Melodia“ auf der Donau zwischen Passau und Budapest sind sich Ania (14), Lennert (15), Luca (17) und Jari (28) einig: „Es war echt mal was anderes als nur Sonne und Strand. Es war gar nicht langweilig. Im Whirlpool an Bord, mit dem Fahrrad durch Budapest, mit dem Segway durch Wien, der Prater, das alles war schon cool. Okay, die Musik an Bord war etwas alt, Sinatra und so, aber wenn das Essen stimmt . . .“

Flusskreuzfahrtschiffe galten lange als „Seniorenkähne“. Die TUI, die fünf Schiffe auf der Donau betreibt, registrierte gerade einen Rückgang des Durchschnittsalters von 65 auf 56 Jahre. Die Youngster auf der „Melodia“ drückten den Altersschnitt für eine Woche sogar auf 50. Die Vier sind Enkel und hatten „mit finanzieller Unterstützung der Eltern“ ihre Oma zum Geburtstag zu einer gemeinsamen Woche auf der Donau eingeladen.

Josef Eidlhuber, Cruise Director auf der Melodia, weiß, warum Donau-Kreuzfahrten boomen und zunehmend auch junge Leute anziehen: „Urlaub vor der Haustür ist heute stärker gefragt. Deutschsprachige Schiffe ohne übertriebene Kleiderordnung bauen Hemmungen ab. Ungewöhnliche Ausflüge wie Nordic Walking in Budapest oder auf dem Chakren-Weg zur Energie-Tankstelle über der größten Amethyst-Ader der Welt oder Yoga auf dem Sonnendeck begeistern auch jüngere Gäste.“

Offenbar ist das Erfolgsgeheimnis eine Mischung aus Ruhe und Aktion. Nach dem Dinner bauen die Gäste selbst einen Kriminalfall zusammen: „Der Mörder ist immer der Rentner.“ Ganz wichtig scheint die Konzeption der Ausflüge zu sein.

Die Erläuterungen zu Sehenswürdigkeiten sollen nicht den Professor für Kunstgeschichte ansprechen, sondern mit bunten Anekdoten für kurzweilige Unterhaltung sorgen. Im Kloster Stift Melk am Eingang zur Wachau hat Guide Lina Pospichel, die gerade am Stiftsgymnasium Abitur gemacht hat, ausgerechnet: „Wenn sie alle 100 000 Bücher und die 1200 Jahre alten Handschriften in der Klosterbibliothek lesen wollen, müssen sie 300 Jahre alt werden.“

Auf der Donau zwischen Passau und Budapest herrscht heute ein Betrieb wie auf der Autobahn. Gerard Glotz von Passau Tourismus: „1992 ankerten bei uns 16 Kabinenschiffe, 2000 waren es 50. Im Vorjahr legten 111 Schiffe mit 22 0000 Passagieren 1740-mal an, Tendenz steigend.“

Allein TUI betreibt fünf Schiffe, davon zwei Neubauten. Weil die Konkurrenz wächst, kommt TUI gleich mit drei Neuerungen: Nächstes Jahr wird es auch ein- und dreitägige Kreuzfahrten („zum Schnuppern“), auf Wunsch auch all inclusive geben. Shopping-Ausflüge kommen neu ins Programm.

Für den Fremdenverkehr in Passau ist der Donau-Boom ein Glücksfall. Als Start und Ziel der meisten Donau-Touren verzeichnete die Drei-Flüsse-Stadt (Donau, Inn, Ilz) 2010 Jahr schon 432 000 Übernachtungen: Viele Passagiere bleiben vor oder nach der Schiffsreise für ein, zwei Tage an Land. Nur wenige schaffen es, in Sissis Bett (200 Euro pro Nacht) im „Wilden Mann“ zu nächtigen, wo die Kaiserin 1862 und 1878 abstieg. Gerard Glotz: „Vor 25 Jahren kamen wir mit sieben Fremdenführern aus, heute haben wir 70. Die mittäglichen Konzerte auf unserer Domorgel, der mit 17 974 Pfeifen größten der Welt, zählen im Jahr 100 000 Besucher.“

Nur auf dem Nil, zwischen Luxor und Assuan, verkehren noch mehr Hotelschiffe. Ein Passagier mit Nil-Erfahrung: „Der Nil ist lehmbraun, die Donau streckenweise auch. Am Nil stehen alle paar Kilometer Tempel am Ufer, auf der Donau dagegen Burgen. Aber sonst ist fast alles anders. Der Nil ist ziemlich schnurgerade, die Donau dagegen kurvig. Am Nil-Ufer ist alles braun, neben Lehmhütten stehen vermummte Frauen und Kamele, an der Donau ist es überall grün und hübsch.“

Auf der Donau muss ein Schiff zwischen Passau und Budapest elf Schleusen passieren. Das ist Millimeterarbeit. Die „Melodia“ gleitet mit Tempo 20 weiter. Die extrem leisen Motoren können Möwen, Reiher, Enten und Schwäne nicht schrecken. Am Ufer versenken Fischer ihre großen Netze und hoffen, dass sich ein Zander darin verfängt. Doch so ganz heil ist auch diese Welt nicht. Hotelmanager Dirk Nelis achtet gnadenlos darauf, dass alle Gäste nach Landgang und vor dem Speisesaal ihre Hände desinfizieren: „Ein Virus kann einem die schönste Kreuzfahrt vermiesen.“

Nach 579 Stromkilometern kommt das grandiose Budapester Panorama mit Parlament, Burg, Freiheitsstatue in Sicht. Einige Gäste haben bei Simone, der Assistentin des Cruise Directors, ein Extra-Programm bestellt. Dann streifen sie glücklich durch die Jugendstil-Markthalle auf der Suche nach preiswertem Kaviar, sie stürmen den Laden mit den höchsten High Heels Europas, trinken einen Verlängerten im ältesten Café Budapests, im 1827 gegründeten „Ruszwurm“ an der Fischer-Bastei, und erholen sich dann im „Gerbeaud“ von 1858, seit 1896 das einzige Café mit U-Bahn-Anschluss („Vörösnaky-Platz“).

Dort tranken schon Franz Liszt, Elisabeth II. und Madonna unter Kronleuchtern und Stuckdecke ihren Kaffee. Der Guide verrät, welche Frage die Gäste derzeit am häufigsten stellen: „Wo war denn nun die Orgie der deutschen Versicherungsvertreter?“

Nächste Station: Bratislava. In dieser Stadt verfielen die Adelspalais. Als die Stadt 1993 Hauptstadt der selbstständigen Slowakei wurde, brauchten viele Botschaften Häuser. Sie restaurierten die Palais prächtig. Auch das Schloss von Comtesse Babette Keglevics ist wieder proper.

Man munkelt, ein gewisser Beethoven sei in die Dame verschossen gewesen und habe ihr sogar eine Klaviersonate gewidmet. Die Einwohner von Bratislava scheinen einen Sinn für hintergründigen Humor zu haben. Anders wären die Bronze-Skulpturen des Gaffers, der Liebesdienerin und eines Kanalarbeiters in der Stadt nicht zu erklären. Der Sturzhelm des Kanalarbeiters ist ganz blank gerieben: Wenn man mit der Hand darüber fährt, bringt es Glück.

Auch Linz als letzte Station bietet Außergewöhnliches. Leo Jendrack, in dritter Generation Konditor, verrät bei einem Backkurs das Rezept seiner Linzer Torte.

Auch gibt es Hunderte Interessenten, die eine Woche in der Einsiedlerzelle der Kathedrale leben wollen. „Aber auch Eremit wird man nicht ohne Geld. Eine Woche in der Zelle kostet 600 Euro.“

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