Flußkreuzfahrt: Auf den Wasserwegen der Zaren

Von St. Petersburg nach Moskau – eine Reise ins Herz russischer Geschichte.

Düsseldorf. Am Newa-Ufer liegt in strahlendem Weiß die "Viking Peterhof", ein Kreuzfahrtschiff der Luxusklasse, fast 130 Meter lang, 17 Meter breit.

Mit seinen fünf Passagierdecks und dem Sonnendeck wird es die kommenden zwei Wochen unser schwimmendes Hotel sein und uns von St. Petersburg zuerst über Ladoga- und Onegasee nahe an den Polarkreis bringen, um dann nach Süden entlang der Wehrklöster am "Goldenen Ring" über ein einzigartiges Kanalsystem zu kreuzen und schließlich die Metropole Moskau zu erreichen.

Aber nun sind wir erst einmal in St. Petersburg, dem "Venedig des Nordens". Die Parallelen sind offenkundig, die Gründung Peter des Großen liegt auf 42 Inseln an der Ostseemündung, doch die Stadt hat eine atemberaubende Schönheit, die durchaus einzigartig ist. Natürlich steht das Winterpalais mit der weltberühmten Eremitage auf dem Programm.

Und der barocke Katharinenpalast mit dem Bernsteinzimmer im nahegelegenen Puschkin. Allerdings verliert das Bernsteinzimmer etwas von seiner Faszination, hat man zuvor die prachtvoll vergoldeten Repräsentationssäle des 1752 von Rastrelli errichteten Schlosses gesehen. Es ist wohl eher die schmerzhafte Widersprüchlichkeit der deutsch-russischen Beziehungen, die sich in der wechselhaften Geschichte dieses kleinen Saales spiegelt.

Ein Erlebnis ist auch das Schloss Peterhof an der Ostsee. Mit seinen Fontainen, Skulpturen und Wasserbecken ist es wohl die schönste und größte Brunnenanlage der Welt. Jeden Morgen punkt 11 Uhr tritt die Anlage unter den Klängen heroischer Musik ihren Dienst an.

Im Zentrum der russische Samson, der dem schwedischen Löwen das Maul aufreißt, eine Anspielung auf Peters Sieg gegen Schweden, dem St. Petersburg auch seine Gründung im Jahr 1703 verdankt. Eine 22 Meter hohe Fontaine schießt in den Himmel, 200 weitere Wasserspiele folgen. Ein beeindruckendes Schauspiel.

Am frühen Abend des vierten Tages verlassen wir St. Petersburg, und die eigentliche Kreuzfahrt beginnt. In der Dämmerung passieren wir die Inselfestung Schlüsselburg am Eingang des Ladogasees. Der mit 18 000 Quadratkilometern größte Binnensee Europas ist sechs Monate im Jahr zugefroren. Für das Schicksal Leningrads war dies während der vierjährigen Belagerung entscheidend, denn über das Eis wurde die Stadt in den Wintermonaten versorgt.

Den wahren Zauber einer Kreuzfahrt erlebt man am nächsten Morgen: In Fahrrad-Geschwindigkeit gleiten wir auf dem riesigen Fluss Swir entlang der unendlichen karelischen Wälder. Die weißen Birken zeigen ein zauberhaft frisches, geradezu lichtes Grün.

Und inmitten dieser Wälder liegt das Künstlerdorf Mandrogy mit seinem altrussischen Handwerk, unsere erste Station, bevor wir in den Onegasee vorstoßen. Unser Ziel dort ist Kishi mit seiner wunderbaren Holzarchitektur. Eine Fahrt über den Onegasee ist auch im Mai noch ein Abenteuer, denn Eisschollen, Stürme und tagewährende Nebelbänke verhindern nicht selten, dass das im Norden auf einer Halbinsel liegende Kishi tatsächlich angefahren werden kann.

Nicht umsonst heißt die Tour, die Viking als Flusskreuzfahrt von Petersburg nach Moskau anbietet, "Wasserwege der Zaren" und nicht "Wasserwege Stalins". Denn die künstliche Wasserverbindung zwischen Moskau und St. Petersburg war ein Traum Peter des Großen, dessen Umsetzung bereits zu seinen Lebzeiten angedacht wurde. Erst unter Stalin aber wurde das gewaltige Bauwerk vollendet.

Fünf Meere lassen sich nun über das Kanalsystem, das Moskau mit St. Petersburg, verbindet, erreichen: Das Weiße Meer im Norden, die Ostsee im Westen, das Kaspische Meer und über den Wolga-Don-Kanal das Schwarze und das Asowsche Meer.

Zwischen St. Petersburg und Moskau müssen 17Schleusen passiert werden, um den Höhenunterschied von 162 Metern zwischen den rivalisierenden Metropolen zu überwinden. Die Schleusen erfordern die besondere Aufmerksamkeit der Schiffsführer, ebenso wie die künstlichen Seen, deren größter der Rybinsker Stausee ist.

Unser Kreuzfahrtschiff "Peterhof" gleitet lautlos dahin. Mit dem Schlag der Nachtigall, mit den bunten Holzhäusern in den alten russischen Dörfern, den Rauchfahnen von unzähligen Grillstellen an den Ufern von Seen und Flüssen entfaltet sich vor dem Auge des Reisenden die Idylle russischen Landlebens.

Geschichtsträchtige Orte säumen die Wasserwege der Zaren. Das Kirilov-Kloster nahe Goritzi liegt malerisch am Ausgang des Weißen Sees und unterstreicht mit mächtigen Mauern seine Wehrhaftigkeit. Mit geradezu südländischem Flair empfängt uns am achten Tag die Uferpromenade von Jaroslawl.

Die Stadt an der Wolga, die in diesem Jahr ihr 1000-jähriges Bestehen feiert und schon heute jeden 1000-Rubel-Schein schmückt, ist einer der gewichtigsten Orte am "Goldenen Ring". Der Legende nach hat Fürst Jaroslaw, der spätere Großfürst der Kiewer Rus, hier mit einer Axt einen Bären erschlagen und mit dieser Gewalttat die bislang heidnischen Slawen von der Überlegenheit des Christentums überzeugt. Der engen Beziehung zur Dynastie der Romanows verdankte Jaroslawl seinen Reichtum. Die wunderbare Prophet-Elias-Kirche aus dem 17. Jahrhundert ist ein beeindruckendes Beispiel.

Im weichen Morgenlicht gleitet das Kreuzfahrtschiff dann auf Uglitch zu. Aus den Wassern des Stausees erhebt sich die berühmte Dmitrij- Blut-Kathedrale. Die Frühaufsteher halten die Kameras bereit. Uglitch ist ein Ort mit einer ganz besondere Geschichte. Hier endete die Dynastie der Rurikiden.

Der letzte legitime Erbe Ivan des Schrecklichen starb unter mysteriösen Umständen an diesem Ort. Ermordet, Unfall? Die Geschichte lüftet ihr Geheimnis nicht. Auf Boris Godunow, damals Vormund der Zarennachkömmlinge, lastet ein schwerer Verdacht, seine Rolle im Todesfall des rechtmäßigen Erben Dmitrij bleibt undurchschaubar. Die Glocke, die das Unheil verkündete, hat er auspeitschen lassen und nach Sibirien verbannt. Heute hängt sie wieder als stumme Zeugin eines dunklen historischen Ereignisses in der Kathedrale.

Bald nach Uglitch schwenkt das Schiff aus den Weiten der karelischen Seen und der zu Meeren gestauten Flüsse in den schmalen Moskau-Wolga- Kanal, an dessen Ufern sich in aller Herrgottsfrühe Menschen tummeln, die ihre Picknickkörbe aus dem Auto in die Nähe des Wassers tragen.

Dann läuft das schwimmende Hotel ins Hafenbecken des Flussbahnhofs von Moskau ein. In den Fenstern der Hausgebirge, aus denen Moskau besteht, glitzert das Licht der frühen Maisonne. Nun gilt es Moskau zu entdecken. Aber das ist schon eine neue Geschichte.

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