Reise Ein Hoch auf die Wetterküche

Die neun Inseln zwischen Europa und Amerika gelten immer noch als Geheimtipp für Wanderer und Naturfreunde.

Schirm auf: Es gießt. Schirm zu, Minuten später: Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, während über dem Atlantik neue Wolken heranziehen. „Ein Tag, vier Jahreszeiten“, sagt man auf den Azoren zur ganz normalen Wetterküche.

Von wegen Tiefdruck: Hier ist Regen eher eine freundliche Zutat zum paradiesischen Rezept. Vermischt mit einer Prise Wind und reichlich Sonne, zaubert er auf den neun Inseln vulkanischen Ursprungs unfassbare Schönheit und derartig üppige Vegetation, dass nicht nur mitteleuropäische Aktiv-Reisende in Funktionskleidung begeistert sind. Sie umrunden freudig Kraterseen, lassen sich in heilsamen Schwefelbädern treiben und schauend staunend zu, wie im höllisch heißen Erdreich versenktes Fleisch und Gemüse nach stundenlangem Garen wieder ausgegraben wird. Hier kocht der Vulkan noch selbst: Cozido heißt der köstliche Eintopf.

Überhaupt, das Essen — neben der spektakulären Natur ein weiterer guter Grund, zum Fan der seeumtosten Eilande zu werden. Ob Fisch oder Fleisch, „die Küche ist hervorragend“, sagt einer, der es wissen muss. Robert Hoge, 47, gebürtiger Österreicher, kam vor mehr als zehn Jahren auf die Azoren — der Liebe wegen. „Viele sehr gute Restaurants wirken von außen unscheinbar, zuweilen sogar wenig einladend“, sagt er. „Da sieht man Plastikstühle, erwartet nichts und bekommt dann das beste Steak vom heißen Stein.“ Schlechte Qualität würde sich schnell herumsprechen: „Man lebt hier immer noch in erster Linie von den Landsleuten, nicht von den Touristen.“

Reise: Ein Hoch auf die Wetterküche
Foto: Olimar Reisen

Letztere sollen zwar noch zahlreicher kommen — ein Massenziel dürften die Inseln aufgrund des oft unbeständigen Wetters und mangels ausgedehnter Sandstrände aber auch in Zukunft kaum werden. Flora und Fauna überzeugen jedoch die immer zahlreicher werdenden Besucher aus dem deutschsprachigen Raum.

Robert Hoge, Auswanderer

Ihnen hat es vor allem die geradezu flächendeckende Farbenpracht rund ums Jahr angetan, sagt Hoge, der Reisegruppen führt und sein eigenes Taxi fährt: „Es gibt Gäste, die ihre Reise nach den Blütezeiten der Pflanzen planen. So kommen manche ausschließlich im Januar oder Februar wegen der Kamelien her.“ Dann sei das Wetter zwar eher unbeständig, „doch es sprießt überall in den tollsten Farben. Im März, April schließt sich die Azaleenblüte an — ein fantastisches Naturschauspiel.“

Die Monate Juni, Juli und August sind die Hauptblütezeit der Hortensien, dem Markenzeichen der Insel Sao Miguel. Der Herbst wiederum steht ganz im Zeichen von Amaryllis, „und gegen Weihnachten fängt die Aloe Vera an zu blühen“. Selbst Winterstürme seien reizvoll: „Das ist für Fotografen interessant, denn die Wellen sind nicht selten fünf bis zehn Meter hoch.“

Weit mächtiger aber waren schon immer die unterseeischen Kräfte: An dieser Stelle im Atlantik kommen sich Amerika und Europa als Kontinentalplatten ganz nah. Alle 100 Jahre ist auf den Inseln ein Vulkanausbruch zu erwarten, alle zehn Jahre ein schwereres Erdbeben, so die Statistik. Das gab es schon immer, und das wird auch so weitergehen, prognostizieren Vulkanologen. So gesehen könnte es auf den Azoren schon bald wieder kräftig beben und brodeln. 1957/58 hat der letzte große Vulkanausbruch die Dorfgemeinschaft Capelos vertrieben und der Insel Faial zweieinhalb Quadratkilometer neue Fläche beschert.

Zum Ausgleich für so viel Gewalt schenkte die Natur den Inseln eine märchenhafte Vegetation mit Blumen und Bäumen, die nur auf den Azoren wachsen. Gleich nach der Landung informiert im Flughafen von Ponta Delgada eine kleine Präsentation endemischer Pflanzen alle Ankommenden: Die Insulaner haben sich auf die Wünsche der Erlebnis- und Aktivtouristen eingestellt, bieten Ausflüge und Events, zum Beispiel Klippenspringen aus 30 Metern Höhe, internationale Surf-Wettbewerbe wie an Sao Miguels Praia Santa Barbara oder Fahrradfahren. „Das war den Insulanern noch vor Jahren etwas fremd“, sagt Robert Hoge: „Sie fragten: ‚Warum sollte man radeln, wenn man sich ein Auto leisten kann?’ Und wer aus dem Ausland kommt und den Bus nimmt, zeigt ja wohl eindeutig, dass ihm ein Taxi zu teuer ist.“

Doch diese Zeiten sind vorbei — heute weiß man mit dem Pfund Naturerlebnis zu wuchern und bietet Wellnesspakete, Walbeobachtung und natürlich Rundreisen.

Sao Miguel ist dabei der Einstieg in die teils viele Kilometer voneinander entfernte Inselwelt: das hübsche Eiland Faial, die herbe Schönheit Picos mit dem gleichnamigen höchsten Berg Portugals. Terceira, Flores, Corvo — jede Insel hat eine andere Farbe, jede fühlt sich anders an. Und schmeckt anders. Es ist, als würde der Atlantik einladen: Willkommen in der Wetterküche, es ist angerichtet.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Olimar Reisen.

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