Die Gasgeber vom Golf

Im Umbruch: Das kleine Emirat Katar will boomende Wirtschaft und Tradition vereinen.

Golfregion. Krise — welche Krise? In Katar hat Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani gerade mal eben die Gehälter der Beamten um 60 Prozent, die Renten um 50 Prozent und die Bezüge der Offiziere um 120 Prozent erhöht. Wahrscheinlich weiß man hier nicht einmal, wie man Krise schreibt.

Der warme Geldregen kommt in dem Wüstenland wohl nicht von ungefähr, er dürfte ein präventives Beruhigungspflaster vor dem Hintergrund der Demokratisierungsbewegungen in anderen arabischen Ländern sein. Er wirft jedoch ein bezeichnendes Licht auf das kleine Emirat am Persischen Golf, das mit 11 437 Quadratkilometern gerade einmal halb so groß ist wie Hessen.

Katar gehört zu den reichsten Ländern der Erde und boomt munter weiter, denn unter dem Meer liegt eines der größten Erdgasvorkommen weltweit, genug für die nächsten 300 Jahre. Der IWF geht für 2011 von einem Wirtschaftswachstum von 18 Prozent aus.

Auch beim Pro-Kopf-Einkommen liegt das Land im globalen Vergleich ziemlich vorn — das gilt aber nur für die 15 Prozent Katarer unter den 1,7 Millionen Einwohnern. Alle anderen gelten als Gastarbeiter, sie verdienen wenig.

Zugleich ist der aus einem Beduinenstamm hervorgegangene Herrscher-Clan der Al Thanis bestrebt, die Strukturen einer traditionellen islamischen Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Und als Reisender sieht man auf Schritt und Tritt, wie diese beiden Welten nebeneinander herlaufen und gelegentlich aufeinanderprallen.

Wo sich vor rund 60 Jahren Wüste erstreckte — kein Baum, kein Strauch, kein Haus, kein Zelt —, ziehen sich heute sechs- bis achtspurige Straßen durch die Hauptstadt Doha. Unübersehbar beliebt sind Großraum-Geländewagen, auch der CO2-Ausstoß pro Kopf gehört zu den höchsten der Welt. Doch als sich abends der Verkehr um die nachgebaute Altstadt staut, überqueren drei junge Männer im Burnus die Straße, alle drei mit einen Falken auf der Faust.

Im Souk, dem zentralen Basar, verdienen sich alte Männer ein Zubrot. Sie transportieren die Einkaufstüten der Hausfrauen in Schubkarren zum Ausgang. Die Auswahl an Gewürzen ist famos, Safran, Curry und Koriander in fünf Qualitäten, schwarze getrocknete Zitronen zum Mitkochen im Reis, das meiste aus dem Iran importiert.

Abends reiht sich hier ein Straßencafé ans andere. Touristen und Einheimische bestellen Wasserpfeifen, Saft oder Mokka. Alkohol steht nicht auf der Karte, der wird nur in Hotels ausgeschenkt. Es ist auch nicht möglich, sich in einem Geschäft Wein zu besorgen, denn man muss bei einer Zentralstelle erst einmal einen Gehaltsnachweis vorlegen, danach wird die Menge Wein berechnet, die man überhaupt im Monat kaufen darf. Das Königshaus will so verhindern, dass man von seinem Einkommen zu viel für Alkohol ausgibt.

Anderswo sind dem Geldausgeben keine Grenzen gesetzt. Immer neue gigantische Einkaufszentren werden gebaut. Bevor sie am hinteren Ende richtig fertig sind, haben vorne schon Maserati und Armani die Läden bezogen, die europäischen Nobelmarken sind komplett vertreten.

Schwarz verhüllte Frauen schlendern grüppchenweise durch Boutiquen, eine andere Freizeitbeschäftigung wird ihnen nicht zugestanden. An den Handgelenken blitzt es modisch bunt, viele sind unter dem Schleier geschminkt. Reiseleiter Jamal sagt grinsend: „Die Hälfte der französischen Dessous-Produktion wird in Katar verkauft.“

Auch die Architekten dürfen sich in Doha austoben. Im Stadtteil Pearl, der im Meer aufgeschüttet wird, sollen einmal 50 000 Menschen wohnen. Wo jetzt noch einsame Kräne stehen, werden für das neue Viertel Lusail im Drei-Schicht-Betrieb Appartments für 400 000 Leute hochgezogen — alles Vorboten der Fußball-WM in zehn Jahren.

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