Borneo - Das Lächeln der Kopfjäger

Zu Gast in einem Langhaus der Iban. Schädel hängen nicht mehr unter der Decke.

Borneo. Wie wird ein Besuch bei den Iban sein, diesem ehemals kriegerischen Volk auf Borneo, das noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts auf die Köpfe seiner Feinde Jagd machte und diese unter der Decke aufreihte?

Wie begrüßt man das Stammesoberhaupt, dessen markante Tätowierung auf dem Kehlkopf ihn als Mitglied eben dieses Stammes der Kopfjäger ausweist? Und wie viele Muster mag er auf seiner Hand tätowiert haben für die Zahl seiner Feinde, die er getötet hat?

Stammes-Chef Burau Ak Buba, klein, schmal und drahtig, verbeugt sich mit einem Lächeln und macht eine einladende Bewegung - mit einer Hand, auf der keine Muster tätowiert sind - und bittet die Besucher in sein Langhaus, das sich auf Stelzen entlang des Flusses erstreckt.

Die Gäste schlüpfen aus ihren Schuhen, halten kurz inne und betreten durch eine Tür auf der kurzen Seite des Hauses die überdachte Veranda - quasi den Dorfplatz. Feuchtwarme Hitze schickt die ersten dünnen Schweißrinnsale den Rücken hinunter.

Frauen sitzen auf dem Boden, halten Babys im Arm. Kinder laufen umher. Auf der Terrasse mit Blick zum Fluss flattert Wäsche, auf der rechten Seite gehen jede Menge Türen ab - hinter jeder wohnt eine Familie mit meist sieben oder mehr Mitgliedern.

Viele Iban in Sarawak, einem der beiden malayischen Teile Borneos, leben noch auf diese traditionelle Art, weit entfernt von Dörfern und Städten in einfachsten Verhältnissen.

Das hölzerne Langhaus der Dorfgemeinschaft von Burau Ak Buba ist nur per Boot erreichbar. Gut zwei Stunden dauert die Fahrt, erst über den Batang Ai Stausee, später weiter über den Fluss. Hinter dem Haus ragt nur noch dichter Urwald in den Himmel, irgendwann verschmilzt hier der malayische Dschungel mit dem des indonesischen Teils Borneos.

Entlang des Flusses blitzen immer wieder die markant langen Holzdächer aus dem Blätterwald hervor. Gut 600000 Iban leben heute noch in Sarawak, sie machen 30 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

"Die Iban dürfen zum Selbstverzehr Wildschweine, Mäusehirsche oder Vögel jagen. Sie bauen Kautschuk, schwarzen Pfeffer, Gemüse und Reis an", sagt Touristenführer Tom. Die Kinder werden in den ersten Jahren in der Dorfgemeinschaft unterrichtet, später können sie an staatlichen Internaten lernen.

Viele jüngere Iban-Männer leben inzwischen nicht mehr so traditionell. Allein von der Jagd wollen sie nicht mehr leben. Sie verdienen zusätzlich Geld als Ranger, als Bootsführer, durch den Besuch von Touristen oder in einem nahegelegenen Hotel-Ressort. Doch abends kehren sie in die Dorfgemeinschaft zurück.

Jede Familie kocht zwar für sich, das Leben spielt sich aber auf der großen Veranda ab. Viele Männer schlafen sogar dort. Privatsphäre? Fehlanzeige. Tom sagt achselzuckend: "Die Kinder werden im Dschungel gezeugt."

Burau Ak Buba ist inzwischen auf die Terrasse getreten und zeigt mit Stolz und Haltung seine vielfältigen Tätowierungen: Ranken, Blüten, flächige Kreise. Die Zeichen machen die Menschen sichtbar für die Götter, glauben die Iban. Seine Tätowierungen weisen Burau Ak Buba als mächtigen Mann aus, der viele Wanderschaften, die "bejalai", unternommen hat.

Kaum vorstellbar, dass die Vorfahren dieses charmanten 72-Jährigen die Köpfe ihrer Feinde als Trophäen abschlugen. Dabei ging es ihnen, so wollen es historische Quellen wissen, weniger um materielle Beute als vielmehr um die Schädel selbst.

Je mehr Köpfe, desto mehr Macht. Anfang des 20.Jahrhunderts verbot der Brite James Brooke, damaliger Gouverneur und Herrscher über Sarawak, die Kopfjagd, doch wurde das Verbot nachhaltig erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs durchgesetzt.

Bei einem Blick in sein privates Reich zeigt sich, dass auch das Naturvolk den modernen Versuchungen nicht widerstehen kann. Stereoanlage, große Boxen und zwei Fernseher sind der ganze Stolz des Stammesoberhaupts. Mit grünen Häkeldeckchen abgedeckt, dominieren sie den Wohn-Schlafraum.

Wenn abends der Generator für ein paar Stunden das Langhaus mit Strom versorgt, läuft in allen Zimmern der Fernseher. Die Iban lieben Fußball - europäischen und am liebsten Manchester United. Da verwundert es nicht, dass viele Iban-Jungen heute Ronaldo heißen, benannt nach Fußball-Held Cristiano Ronaldo.

Auch wenn inzwischen gut einmal pro Woche eine kleine Touristengruppe das Langhaus besucht, sind ausländische Gäste noch immer etwas Besonderes: Die Iban-Mütter etwa freuen sich riesig, als ein Besucher die Fotos seiner Drillinge zückt. Sie wollen gleich mehr über die Kinder wissen. Erfahrungen und Geschichten werden ausgetauscht.

Zum Abschied schenkt der Stammes-Chef süßen Reiswein in mit 70er-Jahre-Muster geschmückten Gläsern aus. Oooohaaaa! schallt es durchs Haus - zum Wohl!

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