Bähnle statt Casino - Baden-Badens Merkurbahn wird 100

Baden-Baden (dpa) - Eine der längsten Standseilbahnen Deutschlands feiert ihren 100. Geburtstag. Die Merkurbahn am Hausberg von Baden-Baden hat nichts von ihrem Reiz verloren.

Auf halber Strecke werden die Augen der Fahrgäste groß: „Uff - das war knapp“, raunt eine Mittfünfzigerin ihrer Freundin zu, als die beiden Wagen der Merkurbahn auf dem engen Stück mit doppelten Schienen aneinander vorbeigleiten. Die beiden Touristinnen aus Norddeutschland fahren zum ersten Mal mit einer Standseilbahn. Jetzt wissen sie, dass es gar nicht anders geht, als sich in der Mitte zu treffen, wenn die eine Bahn auf dem Weg hinunter ihre Zwillingsschwester hinaufzieht. Mit der ebenso simplen wie raffinierten Technik ist die Bahn auf dem Baden-Badener Hausberg 100 Jahre alt geworden. Von ihrem Reiz hat die betagte Jubilarin noch nichts verloren.

Während Technik-Freaks über das Wunderwerk der Ingenieurskunst staunen, schwärmen andere eher über das, was sie nach fünf Minuten Fahrt auf dem 668 Meter hohen Gipfel des Merkur erwartet: Ein grandioses Panorama mit Schwarzwaldbergen - und bei klarem Wetter der Blick über den Rhein zum Straßburger Münster. Die „schönste Aussicht der Region“ war es auch, die Wanderer schon vor langer Zeit zum Aussichtsturm und in das Wirtshaus auf der Höhe lockte. Das ließ schon im Zeitalter der Pferdekutschen die kühnen Planer einer Bergbahn aktiv werden.

Die Kurgäste sollten mit dem „Gipfel des Glücks“ verwöhnt werden ohne zuvor den schweißtreibenden Aufstieg durch den Bergwald auf sich nehmen zu müssen. Das Werben um Kurgäste war auch bitter nötig, nachdem Reichskanzler Otto von Bismarck 1873 die Spielbank hatte schließen lassen - und damit den Goldesel für den Stadtsäckel vertrieben hatte.

Ein Holländer war es, der 1874 die Stadtväter des Kurortes von seiner Vision einer „Dampfeisenbahn“ überzeugen konnte. Sie sollte Passagiere vom Bäderviertel der Innenstadt mit drei Lokomotiven bis auf den Gipfel und zu einem geplanten Kurhotel bringen.

Sieben Jahre später war dieser Herr van Baalen außer einem städtischen Zuschuss von 1600 Thalern für die Projektkosten auch fast sein gesamtes privates Vermögen los. Aber dafür steckte die Idee mit der Bergbahn in vielen Köpfen umso fester - zumal, nachdem die Stadt Karlsruhe es doch tatsächlich schaffte, 1888 eine Bergbahn auf ihrem Turmberg zu errichten. Aber der war schließlich nur 256 Meter hoch, und das Bähnle musste gerade mal 100 Meter klettern.

Doch im Mai 1912 gab es endlich in der Kurstadt den ersten Spatenstich für die Bergtrasse. Ein Jahr später - am 16. August - wurde die Bahn mit viel Prunk und Pomp eröffnet. Die Baukosten - das gab es damals schon - wurden dabei gehörig überschritten.

Die Merkurbahn erfüllte schnell die Erwartungen, wurde zum beliebten Motiv auf Ansichtskarten und in Werbeprospekten. In ihren ersten 50 Jahren lockte sie über fünf Millionen Passagiere zur „schönsten Aussicht der Region“. Doch dann ging es bergab: Tief in den roten Zahlen wurde sie 1967 stillgelegt. Erst zwölf Jahre später war mit einem kräftigen Zuschuss aus der damals noch gut gefüllten Schatulle der Bäder- und Kurverwaltung ein Neuanfang möglich.

„Es ist wohl leichter, einen 100-Millionen-Tunnel durch einen Berg zu bauen als einen Berg zu beleben, der einfach bloß so neben einem gottgesegneten Tal steht“, fasste der damalige Stadtchef Walter Carlein die Schwierigkeiten zusammen.

Heute sorgen auf dem Berg so viele Attraktionen für Leben, dass es an manchen Tagen eng wird: Wenn für die Kinder der Osterhase oder der Nikolaus auf den Gipfel kommt oder an Silvester hoch oben der Start in ein neues Jahr gefeiert wird, muss man sich in den Warteschlangen der Talstation in Geduld üben.

Service:

Die Feier zum Jubiläum wird am 16. August mit einem 100-Jahre-Stammtisch mit Veteranen der Merkurbahn eröffnet. Am Sonntag, 18. August, ist Tag der offenen Tür mit Freifahrten zwischen 10.00 und 18.00 Uhr. Auch gibt es Führungen, ein Kinderprogramm und bei gutem Wetter Tandemflüge mit den Schwarzwaldgeiern. An der Talstation informiert eine Ausstellung im historischen Wartesaal über die Geschichte der Bergbahn, das Forstamt stellt Wanderwege vor.

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