Attraktion auf der Schiene: Die Fahrraddraisine

Lengenfeld unterm Stein (dpa) - Thüringens einzige Fahrraddraisine ist ein Touristen-Hit. Die 32 bunten Vehikel im Südeichsfeld sind bei Gästen aus aller Welt beliebt und häufig ausgebucht. Weil es schon Unfälle gab, droht nun ein Alkoholverbot.

Das Depot am Bahnhof in Lengenfeld unterm Stein im Unstrut-Hainich-Kreis ist im Sommer nur nach Einbruch der Dunkelheit mit Fahrraddraisinen gefüllt. Tagsüber sind die farbenfrohen 32 Fahrzeuge fast durchgängig auf zwei verschiedenen Strecken in die Nachbarorte Geismar und Küllstedt unterwegs. „Wir können uns vor Anfragen nicht retten“, freut sich Winfried Stöber, Geschäftsführer der Eichsfelder Kanonenbahn GmbH, über ein seit sieben Jahren stetig steigendes Interesse an dem ungewöhnlichen Fortbewegungsmittel. Das Gefährt lockt 30 000 Menschen pro Jahr im Südeichsfeld.

Die Betreiber haben aber zunehmend Angst um ihren guten Ruf. Übermäßiger Alkoholgenuss bei Gruppen sorgte zuletzt für drei Unfälle mit vier Verletzten in nur drei Monaten. In einem Fall war ein 56-Jähriger von einer Draisine überrollt und schwer verletzt worden, nachdem er von einem Fahrzeug zum nächsten springen wollte. Deshalb denkt der Verein über eine Hausordnung mit strengeren Regeln und auch über ein Alkoholverbot nach.

Besonders an den Wochenenden und in den Sommerferien herrscht reger Betrieb an der einzigen Draisinenstrecke in Thüringen. Hauptsaison ist von April bis Oktober. Gefahren werden kann das ganze Jahr - so lange die Schienen frei sind. Vier bis sieben Personen haben Platz auf den verschiedenen Modellen. Seit diesem Jahr gibt es auch Draisinen mit Elektroantrieb - vergleichbar mit einem Elektrofahrrad.

Hans Sibbel vom Kanonenbahn-Verein erklärt den bereits auf den Fahrzeugen sitzenden Gästen, wie so ein Schienenfahrrad funktioniert und wie man sicher wieder zurück an den Startpunkt kommt. 50 Meter Abstand seien unbedingt einzuhalten. Beide Strecken sind eingleisig und deshalb immer nur in eine Richtung befahrbar. Ein Wendemanöver gehört mit zum Schienenspektakel. „Bergab war es kühl, bergauf kamen wir ins Schwitzen“, beschreiben Gisela Pfeffer aus Ballhausen und Sigrid Dönicke aus Gierstädt ihre gut 60 Minuten dauernde Pedaltour.

Erfahrungsgemäß wagen sich alle Neulinge erst einmal „Route 2“, verrät Stöber. Das Gänsehaut-Erlebnis kommt erst auf „Route 1“. Deren 13 Kilometer führen rund um den Ort Lengenfeld und dabei auch über das 24 Meter hohe Viadukt. Auf dem fast zweistündigen Weg hinauf zum Küllstedter Bahnhof müssen fünf Tunnel durchquert werden. Alle Draisinenfahrer schwärmen von der tollen Aussicht aufs Tal des Flüsschen Frieda und von der Fahrt durch den stockdunklen Küllstedter Tunnel, der mit seiner Länge von 1500 Meter Ende des 19. Jahrhundert einer der längsten Eisenbahntunnel Europas war. „Weil alle Draisinen Beleuchtung haben, braucht sich niemand zu fürchten“, beruhigt Stöber. Am Küllstedter Bahnhof geht es zurück an den Startpunkt.

Fast 200 000 Menschen aus der ganzen Welt haben bisher das Draisinen-Abenteuer erlebt. Besucher aus Namibia, Spanien, Australien, den Niederlanden und ganz Deutschland verewigten sich in den Gästebüchern. Sogar chinesische Schriftzeichen finden sich dort.

Ende 1992 war der Betrieb auf der Strecke Geismar-Dingelstädt als Teil der 1880 erbauten Kanonenbahn, die quer durch Deutschland verlief, aus wirtschaftlichen Gründen von der Deutschen Reichsbahn eingestellt worden. Vor allem, um das berühmte Lengenfelder Viadukt vor dem Verfall zu retten, gründete sich 2002 der „Kanonenbahnverein“. Inzwischen hat er 120 Mitglieder. Mittlerweile kümmern sich zehn Teilzeitbeschäftigte um den Betrieb, zu dem auch Abendfahrten gehören.

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