Lieb und teuer: Der Betrug an Touristinnen

Hurghada (dpa) - Ein Rollkofferkonzert vor dem Terminal 1. Montags kommen die Deutschen ins ägyptische Hurghada, dem Badeort zwischen Wüste und Rotem Meer. In Susannes Tasche stecken Sommerkleider. Die 35 000 Euro hatte die Münchnerin schon vorher an Seif geschickt.

Lieb und teuer: Der Betrug an Touristinnen
Foto: dpa

Susanne kennt die Geheimnisse des Ägypters nicht. Sie weiß auch nichts von Marie oder anderen Frauen. Dass Seif in den systematischen Betrug an ausländischen Frauen in Hurghada verwickelt sein könnte, ahnt sie ebenso wenig. Die Grafikdesignerin will ihm eine Wohnung kaufen. Weil sie ihm vertraut.

Zur gleichen Zeit auf Facebook: „Achtung! Falls die Deutsche (35/40 Jahre alt), die heute für Seif in Hurghada anreist und vor hat, ihm eine Wohnung zu kaufen, das hier liest, bitte mich sofort kontaktieren! Ich will dich vor einem Unglück bewahren!“, schreibt eine junge Frau in einer Gruppe der Bewohner des Küstenortes.

Marie aus Bayern ist 23 Jahre alt und hat Grübchen von denen Seif einst schwärmte. Es war im Sommerurlaub, als sie sich in den Schnorchellehrer verliebte, für den sich die Steuerfachangestellte verschuldete.

Den Betrug, den viele junge Ägypter nicht nur in Hurghada an Frauen begehen, gibt es nicht nur in Ägypten. Er ist hier aber besonders ausgeprägt. Das Prinzip ist einfach. Junge einheimische Männer sprechen Urlauberinnen an und umschwärmen, um sie näher kennenzulernen. Manchen geht es dabei um Sex, vielen ums Geld.

Der ehemalige deutsche Honorarkonsul Hurghadas, Peter-Jürgen Ely, raucht bei solchen Geschichten ungerührt seine Pfeife weiter. Er wohnt seit 27 Jahren hier und kennt die Dramen der Rotmeerstadt. Der Betrug sei „professionell organisiert“, sagt er.

Neben den vielen deutsch-ägyptischen Paaren, die glückliche und gesunde Beziehungen führen, schätzt Ely die Zahl deutscher Betrugsopfer im Badeort auf mehrere Tausend im Jahr. Der Schaden dürfte im Millionenbereich liegen. Dabei hätten die Männer heimlich oft mehr als eine Ausländerin, die dann abwechselnd zu Besuch kommen. Einige schickten monatlich Hunderte Euro.

Als Marie Seif bei einer Tauchfahrt kennenlernt, ahnte sie nichts von anderen Frauen. „Er war ein hübscher Kerl und ich Single“, erzählt sie. Es begann als vielversprechende Liebesgeschichte. Die damals 21-Jährige kam Seif alle paar Monate besuchen. Sie schliefen meist in einer Ferienwohnung, die Marie bezahlte.

Nach einem halben Jahr fragte Seif nach einem Auto. Sie nahm einen zweiten Job an. Ein paar Mal die Woche arbeitete sie zusätzlich als Bedienung in einem Restaurant. Und nahm für Seif einen Kredit über 12 000 Euro auf. Er wollte einen weißen Chevrolet.

Wenig später stößt sie auf Facebook zufällig auf Fotos. Hochgeladen von einer Französin. Danielle ist etwa zehn Jahre älter als sie. Dutzende Bilder zeigten sie mit Seif. Es sind Fotos von den gleichen Orten, die Marie mit ihm besucht hatte, von der selben Ferienwohnung. Danielle trug eine Kette, wie Seif sie ihr zuvor auch geschenkt hatte. Das Datum verriet, dass die Französin nur einen Tag nach Maries letzter Abreise in Hurghada angekommen war.

Seif ist überzeugend, als Marie ihn zur Rede stellt. Er liebe nur sie und mit Danielle sei es eigentlich schon längst vorbei. Er habe nur solche Angst, dass sie sich etwas antue, wenn er sie verlasse. Doch die Bayerin findet mehr Beweise für andere Frauen in Seifs Leben.

Marie kommt im Mai 2016 ein letztes Mal nach Hurghada. Sie droht Seif mit dem Anwalt, wenn er ihr den Kredit für das Auto nicht wiedergebe. Nach dem Verkauf des Wagens steigt sie mit nicht einmal der Hälfte ihres Geldes zurück ins Flugzeug. „Was habe ich für eine rosarote Brille aufgehabt!“ Sie sei einfach zu sehr in Seif verliebt gewesen.

Dabei glauben nicht alle betroffenen Frauen an die große Liebe. Manchen ist klar, was die Beziehung kostet: An einem öffentlichen Strand unterhalten sich vier Urlauberinnen auf deutsch, während sich das postkartenreife Meer sanft über den heißen Sand schiebt. Eine ältere Frau hat einen jungen Ägypter an der Seite, er trägt ihre Tasche. Als die Beiden gehen, fragt eine: „Sag nicht, dass das ihr Stecher ist? Naja, für seine Rente hat er ausgesorgt“. Sie lachen.

Seif hat sein Handy wohl ausgeschaltet. Am anderen Ende klingelt es nicht einmal. Der Nachrichtendienst WhatsApp zeigt an, dass er seit 24 Stunden nicht mehr online war. Ein Freizeichen ertönt erst am nächsten Tag. „Hallo?“. „Hallo, ist da Seif?“. „Ja“. „Es gibt Menschen, die schlechte Dinge über Dich sagen, willst Du mir Deine Geschichte erzählen?“. Er will.

Zwei Stunden später in einem Café. Die Deckenventilatoren drehen träge gegen die Mittagshitze an. Bei 33 Grad ist der Boulevard menschenleer. Fast. Ein junger Mann nähert sich. Lachsfarbenes Shirt, Wuschelhaare, Undercut. Er sei Seif, ein guter Mann.

„Marie ist eifersüchtig“, sagt er. Weil er sie nicht mehr liebe. Deswegen erzähle sie nun Geschichten und versuche, sein Leben zu zerstören. Er habe nie gleichzeitig mehrere Frauen gehabt. Wenig später muss er zugeben, dass das nicht wahr ist. Danielle hatte Maries Version der Geschichte bestätigt.

Er habe aber nie Geld angenommen, beteuert Seif. Und das Auto? Dafür schon. Wie viele Frauen ihm wohl schreiben würden, wenn er bei WhatsApp wieder online gehen würde? „Sechs oder sieben“, meint der junge Mann. Eine weitere Person nähert sich dem Tisch.

Die zierliche blonde Frau trägt ein Tuch über den Schultern. Sie mag Ende 30 sein, etwa zehn Jahre älter als Seif. „Hi, ich bin Susanne“, sagt sie und streckt die Hand aus. Sie sei also diejenige, die Seif eine Wohnung für 35 000 Euro kaufen wolle? „Vielleicht, ja“.

Susanne sagt, es sei für sie ein Geschäft. Das Apartment solle vermietet werden. Und Seif die Verwaltung übernehmen. Außerdem habe sie Mann und Kinder und sei mit dem Ägypter nur sehr gut befreundet.

Sie vertraue ihm, weil sie ihn schon eineinhalb Jahre kenne. Von der Geschichte mit Marie aber hörte sie das erste Mal, nachdem sie gelandet war. „Warum muss ich alles von ihm wissen?“, entgegnet sie. Am Ende bleibt ein Ratschlag: „Passen Sie gut auf sich und Ihr Geld auf“. „Das mache ich“, sagt Susanne.

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