Auf zwei Rädern um die Welt

Mexiko-Stadt (dpa) - Sie haben hohe Bergpässe überwunden und brennend heiße Wüstentäler durchquert. Sie sind durch den tropischen Dschungel geradelt und über matschige Tundrastraßen gefahren. Auf ihren Fahrrädern haben Annika Wachter und Roberto Gallegos in den vergangenen fünf Jahren fast 29 000 Kilometer zurückgelegt und vier Kontinente bereist.

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„Das Beste an unserer Reise sind die vielen tollen Menschen, die wir kennengelernt haben“, sagt die 29-jährige Wachter. „Wenn man mit dem Rad in fremden Ländern unterwegs ist, ist man auf die Hilfe anderer angewiesen. So kommt man ganz leicht mit den Leuten in Kontakt.“

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Da war die Kambodschanerin Bunny, die immer lächelte und den Radreisenden eine leckere Suppe zum Abendessen kochte. Und dann von ihrem Freund erzählte, der im fernen Korea arbeitete, um das Geld für die Hochzeit zusammenzubekommen. Oder die Familie Movsysyan in Armenien, die das Paar zunächst zu einem Zitroneneis einlud, dann den Steinofen befeuerte und den Radlern in der Nacht noch die lokalen Tänze beibrachte.

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Wachter stammt aus der Nähe von Bremen, der 33-jährige Gallegos aus dem mexikanischen Tijuana. Sie lernten sich 2009 in Guadalajara kennen, wo die deutsche Studentin ein Auslandssemester absolvierte. Später zogen sie gemeinsam nach Bremen und brachen 2011 zu ihrer interkontinentalen Fahrradtour auf. Von Österreich ging es zunächst über den Balkan in die Türkei. „Am Anfang waren wir uns gar nicht sicher, ob uns eine Weltreise per Rad überhaupt gefallen würde“, sagt Gallegos.

Doch es gefiel den beiden und sie radelten weiter: Über den Kaukasus in den Iran, über Turkmenistan und Usbekistan nach China. Weiter durch Laos, Kambodscha, Malaysia bis nach Indonesien. Nach einer Tour durch Australien flogen sie nach Alaska und fuhren immer weiter gen Süden bis Mexiko. Bei Gallegos Familie in Tijuana hat das Paar kürzlich geheiratet.

Pro Tag radeln die Weltenbummler zwischen 70 und 80 Kilometer. Wenn es ihnen irgendwo gefällt, bleiben sie aber auch einmal ein paar Tage. „Das Gute am Radreisen ist, dass man relativ zügig vorankommt, aber auch noch langsam genug ist, um die Schönheit der jeweiligen Region zu entdecken“, sagt Wachter.

In ernsthafte Gefahr sind die beiden auf ihrer Reise noch nicht gekommen. Allerdings wurde in der iranischen Sommerhitze einmal das Wasser bedrohlich knapp. „Wir wollten unsere Flaschen in einem Dorf auffüllen, das aber verlassen war“, erzählt Wachter. „Als wir nur noch ein paar Tropfen übrig hatten, haben wir zum Glück eine Oase gefunden.“

In der kanadischen Tundra verkalkulierte sich das Paar bei den Essenrationen. 740 Kilometer lagen dort zwischen den zwei nächsten bewohnten Siedlungen. „Am Ende ließen wir die Chipstüte kreisen und jeder durfte sich abwechselnd drei Chips herausnehmen“, sagt die 29-Jährige.

Mit ihrer Reise wollen Wachter und Gallegos für einen emphatischen Tourismus werben, für eine Art des Reisens, bei der sich der Urlauber auf seine Umgebung einlässt und die unterschiedlichen Kulturen kennenlernt. „Wer mit dem Rad reist, ist nah dran an den Menschen“, sagt Gallegos. „Man lernt ihren Alltag kennen, versetzt sich in ihre Lage und versteht ihre Sichtweise auf die Dinge.“

Von ihren Reiseerlebnissen und Begegnungen schreiben sie auf ihrem Blog Tasting Travels. In Gemeindezentren, Schulen und Vereinen halten sie außerdem immer wieder Vorträge über ihre Tour. Zuletzt haben sie einen Ratgeber für Radwanderer veröffentlicht. „Ich will, dass die Leute verstehen, dass sie gar nicht weit fahren müssen, um Abenteuer zu erleben“, sagt Gallegos. „Sie können sich einfach auf ihr Rad setzen und die Umgebung erkunden.“

Auf ihrer Reise haben die beiden viel erlebt, in ihrer Heimat aber auch einiges verpasst. Gallegos hat in den letzten Monaten in Mexiko viele Verwandte getroffen, aber Wachter war seit fünf Jahren nicht mehr in Deutschland. „Als ich losgefahren bin, war mein Bruder Single, lebte in einer WG und konnte vielleicht zwei Gerichte zubereiten“, sagt sie. „Jetzt ist er verheiratet, hat ein Kind und ist der Koch der Familie.“

Von Mexiko-Stadt fährt das deutsch-mexikanische Paar nun zunächst weiter nach Cancún an der Karibikküste. Für Anfang Oktober haben sie einen Flug nach Madrid gebucht. Je nach Stand der Reisekasse soll es dann nach Marokko oder über Frankreich zurück nach Deutschland gehen. Nach fünf Jahren auf Achse wollen sie dann langsam sesshaft werden. „Wenn wir dazu nach all der Zeit überhaupt noch in der Lage sind“, sagt Wachter.

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