Umweltplakette: Stinker rutschen durch

Es gibt kein amtliches Messverfahren, um die Autos zu kontrollieren.

Düsseldorf. Die Einrichtung der Umweltzonen hat einigen Staub aufgewirbelt. Sie sollten eigentlich die Belastung der Innenstädte durch gefährliche Partikel verringern. Deshalb wurden ältere Dieselfahrzeuge, die besonders viel Ruß ausstoßen, aus den Zonen verbannt.

Hinein dürfen sie seitdem nur noch, wenn sie mit einem Rußfilter nachgerüstet und als Beleg für die gesäuberten Abgase mit einer Umweltplakette versehen sind. Neue Dieselmodelle haben die Filter inzwischen serienmäßig an Bord.

Was der technologische Aufwand jedoch für die Anwohner bringt, kann niemand sagen. Denn ob die geforderten Abgaswerte eingehalten werden, wird nicht kontrolliert.

Bislang schreibt der Gesetzgeber nur eine routinemäßige Abgasuntersuchung (AU) bei Dieselfahrzeugen vor. Hier wird eine Funktionsprüfung und eine Kontrolle der Rauchgastrübung vorgenommen, sagt Bert Korporal vom Tüv Nord.

Eine detailliertere Analyse des Abgasverhaltens ist mit diesem Verfahren, das in den 80er Jahren eingeführt wurde, um die größten Dieselstinker von der Straße zu bekommen, nicht möglich.

Es kann Korporal zufolge nicht die Menge der ausgestoßenen Rußpartikel ermitteln. Die ist jedoch unter anderem dafür entscheidend, ob der Wagen eine Umweltplakette bekommt - und wenn ja, welche.

Die Sachverständigen hätten somit innerhalb der AU keine Möglichkeit zu prüfen, ob ein Dieselfahrzeug die rote, gelbe oder grüne Umweltplakette zu Recht trägt, räumt Korporal ein.

Auch sagt das Messergebnis nichts darüber aus, ob ein nachgerüsteter Rußfilter einwandfrei funktioniert und der Wagen noch in der Umweltzone fahren darf. "Bei der AU würden wir das nicht feststellen."

Den Prüforganisationen kann man das nicht zum Vorwurf machen. Sie müssen sich an die vom Gesetzgeber festgelegten Verfahren halten. "Die Messverfahren entsprechen nicht dem Stand der heutigen Technik", erläutert Hans-Jürgen Mäurer, Leiter der Entwicklung für Prüftechnik bei der Sachverständigenorganisation Dekra in Stuttgart.

Die AU-Messtechnik hinke gewissermaßen der Motorenentwicklung hinterher. Ein Problem sei, dass die vorgegebenen Grenzwerte der Rauchgastrübung für moderne Dieselmotoren viel zu hoch sind.

Hinzu kommt laut Mäurer, dass dieses Messverfahren bei modernen Motoren eine Verschlechterung des Abgasverhaltens im Hinblick auf den Partikelausstoß nicht feststellen kann.

Hierfür müssten die ausgestoßenen Teilchen gemessen werden, was messtechnisch heute ohne weiteres möglich sei. Entsprechende Systeme, die mit Laser arbeiten und die Teilchenmenge per Streulichtverfahren ermitteln, hätten sich im Praxistest bereits bewährt.

Bei einem funktionierenden Partikelfilter sind Mäurer zufolge noch etwa 0,22 Milligramm Partikel pro Kubikmeter Abgas messbar. Bei einem Fahrzeug ohne Filter oder mit defektem System würden noch 200 bis 300 Milligramm gemessen.

Solche Kontrollmessungen wären Hans-Jürgen Mäurer zufolge auch innerhalb einer modernisierten AU möglich. Dafür müsste der Gesetzgeber aber zunächst genaue Prüfwerte definieren. Es gebe jedoch nicht überall dazu die Bereitschaft.

Aus Verbrauchersicht sei die gegenwärtige Situation jedoch nicht hinnehmbar, sagt Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland: "Heute bezahlt der Kunde für etwas, das nicht funktioniert. Es müsste dringend ein neues Verfahren kommen."

Zwar dürfe eine aussagekräftigere Abgasuntersuchung für Kunden nicht teurer werden. Es müsse aber gewährleistet sein, dass wichtige Systeme im Auto auch funktionieren. "Wenn man einen Umwelttest macht, muss der Test auch das messen, was er messen soll", sagt Lottsiepen.

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