Hähnchenbein als Schaum serviert

Menschen mit Kau- und Schluckproblemen sollen über das Verfahren wieder Lust am Genuss bekommen.

Hähnchenbein als Schaum serviert
Foto: Carmen Jaspersen

Bremerhaven. Die betagte Dame hat ihr Leben lang gerne Schinkenbrot gegessen. Nun geht das nicht mehr, die Bewohnerin eines Pflegeheims hat Schwierigkeiten beim Kauen. Auf den Geschmack muss sie trotzdem nicht verzichten. In der Heimküche wird das Schinkenbrot püriert, anschließend wandert es mit einem Pulver in einen Sahnesiphon. Heraus kommt ein Schinkenbrotschaum, der der Seniorin im Glas mit einem Löffel serviert wird. „Als sie das das erste Mal gegessen hat, hatte sie einen Glücksmoment“, sagt Karim Amer, Geschäftsführer von vier Pflegeheimen bei Bremerhaven.

Hähnchenbein als Schaum serviert
Foto: Carmen Jaspersen

Früher wurden den Bewohnern mit Kau- und Schluckbeschwerden in seinen Häusern Pürees und Suppen serviert. „Wir sind schnell an unsere Grenzen geraten“, sagt Amer. Inzwischen essen die Betroffenen dasselbe wie die anderen Bewohner, sei es Schnitzel oder Hähnchen — nur eben püriert und in luftige oder cremige Schäume sowie Gele verwandelt. Mithilfe von Silikonförmchen lassen sich Möhren- oder Hähnchenpasten in fast echt aussehende Möhrenkugeln und Hähnchenschenkel verwandeln. „Das ist zurückgewonnene Lebensqualität für die Bewohner“, sagt Amer.

Die Pulvermischungen, die für die Verwandlung der Lebensmittel benötigt werden, wurden vor vier Jahren von Biozoon entwickelt, einem kleinen Unternehmen mit 25 Mitarbeitern in Bremerhaven. „Smooth Food“ (Englisch für „weiches Essen“) nennt sich das Ernährungskonzept. 1000 Pflegeheime und Krankenhäuser beliefert Biozoon. Die Firma ist nach eigenen Angaben Vorreiter auf dem Geschäftsfeld.

Die aus Stabilisatoren und Emulgatoren bestehenden Pulver verändern nur die Konsistenz der Lebensmittel, wie Geschäftsführer Matthias Kück betont. „Sie beeinflussen nicht den Geschmack.“ In manchen Heimen werde pürierte Kost mit Stärke, Ei oder Soßenbindern angedickt. Kück findet das schauderhaft: „Der Kau- und Schluckreflex wird schließlich über die Geschmacksrezeptoren angeregt.“ Wenn das Essen fade ist und unappetitlich aussieht, vergeht der Appetit. Mangelernährung, Gewichtsverlust und Flüssigkeitsmangel können die Folge sein.

Für Menschen, die bereits mit einer Sonde ernährt werden, haben luftige Schäume — etwa aus Kirschsaft — einen stimulierenden Effekt, wie Kück beobachtet haben will. Der Schaum müsse nicht geschluckt werden, er benetzt nur Zunge und Gaumen. Da dort die meisten Rezeptoren sitzen, komme es zu einer „oralen Geschmacksexplosion“. Die Betroffenen würden wieder zum Essen angeregt.

Doch die manuelle Zubereitung der Schäume und Gele schrecke große Einrichtungen ab, sagt Kück. Deshalb beteiligt sich das Unternehmen an einem EU-geförderten Projekt. „Ziel ist es, einen 3D-Drucker zu entwickeln, der personalisierte Gerichte industriell herstellt“, sagt Kück. Die Maschine spritzt Breie Schicht für Schicht in unterschiedlichen Formen auf den Teller. Heimköche brauchen die Gerichte nur noch zu erwärmen.

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