Das Beuteschema der Frauen

Je erfolgreicher Frauen im Beruf sind, desto weniger Kinder bekommen sie. Der Paartherapeut weiß: Die Steinzeit ist Schuld.

Düsseldorf. Schreck lass nach. Hatte Eva Herman etwa recht? "Deutschland stirbt aus", warnte die skandälchenumwitterte Ex-Tagesschausprecherin mit Blick auf die Geburtenrate von 1,33 Kindern pro Frau. Und sie stand damit nicht allein. Ob Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, oder Matthias Matussek vom Spiegel - auch sie sahen in ihren Bestsellern die demografische Katastrophe heraufziehen.

Vor allem die emanzipierten und beruflich erfolgreichen Frauen hatte Herman als Übeltäterinnen ausgemacht. Schreck lass noch mal nach. Hatte sie etwa schon wieder recht? Denn: Je höher der Bildungsstand, desto eher sind Frauen in Deutschland kinderlos, wie Erhebungen des Bundesamtes für Statistik zeigen.

Spätestens als Herman allerdings kurzschloss, dass Frauen Opfer der Emanzipation geworden seien, müssen wir feststellen, dass sie unrecht hatte: "Weder in der Karriere noch in der Küche ist die Frau voll handlungsfähig", hatte Herman der Frau unterstellt. Doch als vornehmlichen Grund für Kinderlosigkeit nennen Deutschlands Akademikerinnen nicht die problematische Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern die Schwierigkeit, einen geeigneten Partner zu finden.

So weit, so gut. Aber warum fällt das insbesondere beruflich erfolgreichen Frauen so schwer? Die Erklärung: "Das liegt an ihrem archaischen Beuteschema", sagt der Paartherapeut Stefan Woinoff und klingt damit im ersten Moment so abenteuerlich wie Herman. Also ist die Steinzeit Schuld.

Der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie führt in seinem Buch "Überlisten Sie ihr Beuteschema" aus, dass Frauen wie Männer ihren Partner nach Kriterien aussuchen, die sich über Jahrtausende hinweg "genetisch eingebrannt haben". Was in grauer Vorzeit galt, wirkt heute demnach als unbewusstes Muster fort.

Das heißt, auch Männer des 21. Jahrhunderts suchen immer noch vor allem nach jungen, gesunden und somit fruchtbaren Frauen. Das erhöhte früher die Überlebenschancen des Nachwuchses. Deshalb schielen Frauen, die eine Familie gründen möchten, wiederum nach einem durchsetzungskräftigen Versorger. "Die großen Männer der Sippe wurden früher bevorzugt. Sie waren die kräftigsten und somit auch die statusüberlegenen", erklärt Woinoff. Aktuelle Studien belegen übrigens, dass Männer mit zunehmender Größe mehr verdienen.

Da Frauen heute allerdings nicht mehr auf den klassischen Ernährer angewiesen sind und im Großen und Ganzen den gleichen Status erreichen können wie Männer, funktioniert das archaische Beuteschema nicht mehr. Emanzipation kollidiert mit Emotion.

Im Gegensatz zu Herman will Woinoff nun nicht zurück zur Natur, sondern dass sich die Frauen ihre Kriterien der Partnerwahl bewusst machen und sie überwinden. "Wenn sich hochqualifizierte Frauen nur nach oben orientieren, wird die Luft dünn", sagt Woinoff. Aber orientieren sich Männer nicht umgekehrt nach unten, wo sich Frauen nach oben orientieren? Also sind die Männer nicht genauso Schuld an der Misere?

"Ja, sicher auch", sagt Woinoff. "Der Status war Männern aber nie so wichtig." Beide Geschlechter legten bei der Partnerwahl zunächst Wert auf Gesundheit und Sympathie. Während bei Frauen gleich an dritter Stelle der Status käme, stünde dort bei den Männern die Attraktivität. "Und die fassen Männer heute deutlich weiter als früher, finden zum Beispiel auch ältere Frauen attraktiv. Männer haben ihr archaisches Beuteschema also schon ein gutes Stück überwunden."

Damit nun auch die Frauen ihre steinzeitlichen Kriterien überwinden, muss laut Woinoff die gesellschaftliche Akzeptanz für eine status-unabhängige Partnerwahl größer werden. Klischees müssten abgebaut werden. Auf der anderen Seite müssten sich die Frauen allerdings auch trauen.

An dieser Stelle gibt Woinoff den Frauen noch einen steilen und sicher auch absturzgefährdeten Gedanken mit auf den Weg, der Alice Schwarzer und Eva Herman gleichermaßen die Fußnägel aufrollen ließe: "Wenn Frauen akzeptieren, dass sie auch der Ernährer der Familie sein können, brauchen wir keine Gleichstellungsquote mehr. Frauen werden automatisch genauso oft in Führungspositionen sitzen wie die Männer."

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