Torkeln wie im Vollrausch: Wann Igel Hilfe brauchen

Berlin (dpa/tmn) - Im Herbst gehen Igel nachts auf Futtersuche. Sind die Tiere bei Frost auch tagsüber zu sehen, sind sie vermutlich krank. Den Igel im Haus aufzunehmen und durchzufüttern, geht aber oft schief.

Berater in einer Igelstation können in diesem Fall helfen.

Kleiner Körper, großer Krach: Wer einen Igel im Garten hat, kann den Stachelball kaum überhören. Er schnauft und schmatzt, raschelt und hustet. Bis in den Herbst hinein durchforsten Igel Erde und Laubhaufen nach Essbarem, um sich ein ausreichend dickes Polster für den Winterschlaf anzufressen. Denn sobald die Temperaturen unter null sinken, ist der Zeitpunkt für die Winterstarre gekommen. Ist im Garten dann immer noch ein Igel unterwegs, ist er vermutlich krank. Den Insektenfresser allein durch den Winter zu bringen, ist aber nicht ratsam. Dies sollte nur unter Anleitung geschehen, etwa in Absprache mit einer Igelstation.

Sind Igel auch noch bei Frost aktiv, haben die Tiere in den Wochen davor zu wenig gefressen oder sind durch Parasiten geschwächt. Aber noch ein paar weitere Anzeichen weisen darauf hin, dass das Säugetier krank ist. „Der Igel wirkt apathisch, zeigt kein Fluchtverhalten“, sagt Julian Heiermann, Zoologe beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Kommt man ihm nahe, rollt er sich nicht zusammen. Weitere Merkmale sind ein schwankender, torkelnder Gang und eingefallene Augen.

Wer Zweifel hat, wie fit der Igel ist, bringt ihn am besten zu einer Igelstation oder zum Tierarzt. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, setzen ihn Finder am besten in einen Karton: „Er sollte ohne Löcher und Aussparungen sein, also kein Umzugskarton“, rät Verena Wendt von der Igelstation Weilheim. Denn sonst könne das Tier durch die Aussparung klettern und darin hängen bleiben. Als Untergrund eignet sich am besten Zeitungspapier. Katzenstreu oder Sägemehl kann dagegen die Stacheln verkleben.

Vor allem Wärme tut entkräfteten Igeln gut: „Ist der Igelbauch kälter als die eigene Hand, ist das Tier unterkühlt“, sagt Wendt. Am besten sei es, ihn auf eine lauwarme, mit einem Tuch umwickelte Wärmflasche zu setzen. Nach etwa drei bis fünf Stunden habe das Tier dann wieder seine normale Körpertemperatur erreicht.

Etwas Futter bekommen Igel am besten erst, wenn sie sich erholt haben und zum Beispiel nicht mehr schwankend laufen. Denn sonst kann es passieren, dass das Tier erstickt. Mit einer Schale Wasser und einem kleinen Unterteller mit Katzenfutter oder einem Esslöffel ungewürztem Rührei sind sie gut versorgt. Ungeeignet ist Milch: Denn die darin enthaltene Laktose können Igel nicht verdauen, und sie bekommen Durchfall. Auch Obst und Gemüse vertragen die Tiere nicht.

So niedlich das Stacheltier im Karton auch aussehen mag: Ihn in Eigenregie aufzupäppeln, geht meistens schief: „Ich bekomme so viele Anrufe von Leuten, die nicht wissen, was sie mit dem Tier machen sollen“, sagt Wendt. Denn der Igel will bemuttert und gefüttert werden, täglich muss seine Box gesäubert werden: „Das sind keine angenehmen Gerüche“, sagt Heiermann.

Besser sei es da, das Tier unter Anleitung aufzupäppeln oder in einer Igelstation abzugeben. Wieder gesund, hält er dann am besten im Freien Winterschlaf, zum Beispiel in einer Holzbox im Gartenhaus oder einem Stall. Denn die Ruhe während der kalten Monate ist wichtig für ihre Gesundheit: „Der Stoffwechsel fährt runter, dadurch sterben Parasiten wie Würmer ab“, sagt Heiermann. Fehlt Tieren diese Unterbrechung, sterben sie oft im kommenden Frühjahr.

Literatur:

- Krohn, Claudia: Igel sucht Unterschlupf: So helfe ich Tieren über den Winter, Ulmer, 128 S., 9,90 Euro, ISBN-13: 978-3800177905

- Lohmann, Michael: Das praktische Igelbuch: Nahrung - Krankheiten - Schutz - Pflege - Überwintern, Blv, 95. S., 6,95 Euro , ISBN-13: 978-3835402843

- Biermann, Claudia: Igel gefunden was nun?: Der Ratgeber für Igelfreunde, Cadmos, 79 S., 10,95 Euro , ISBN-13: 9783861270799.

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