Brieftauben: Flieger mit Kondition und Kompass

Dinslaken/Essen (dpa/tmn) - Ein Navigationsgerät brauchen sie nicht: Brieftauben verfügen über eine ausgeklügelte Orientierung. Damit die Tauben Distanzen von bis zu 1000 Kilometer fliegen können, müssen die Tiere ausreichend trainiert werden und Kondition aufbauen.

Brieftauben kamen zwar wohl schon in der Antike oder bei Napoleons Schlacht von Waterloo zum Einsatz. Aber erst seit rund 135 Jahren lassen Brieftaubenzüchter sie in Deutschland in Wettbewerben um die Wette fliegen. Der Orientierungssinn der Tiere ermöglicht es, dass sie auf Wettflügen über lange Strecken und in hoher Geschwindigkeit wieder in den heimischen Schlag zurückfinden. Dafür müssen die Tiere aber entsprechend trainiert werden.

Ursprünglich kommt der Brieftaubensport aus Belgien, wo er Mitte des 19. Jahrhunderts als Beschäftigung für das Großbürgertum entstanden ist. „In Deutschland hat er sich dann später über Aachen und das Ruhrgebiet über ganz Deutschland verbreitet“, berichtet Ralf Nisbach von der Interessengemeinschaft „Zukunft Brieftaubensport“ in Dinslaken.

Der Reiz sei im Vergleich zum Fußball zu erklären, findet der Brieftaubenzüchter: „Man ist in einer Person Trainer, Manager und Platzwart“, sagt Nisbach. „Denn man muss sie trainieren, bringt sie am Wochenende zu den Wettflügen und muss dafür sorgen, dass der Schlag regelmäßig gereinigt wird und angemessen ausgestattet ist - vom Futter über Sitzgelegenheiten bis zu Brutmöglichkeiten.“ Je nachdem, wie viele Tauben zu versorgen sind und bei Wettflügen angemeldet werden, kann die Brieftaubenzucht auch ein durchaus kostspieliges Hobby sein.

Rein äußerlich sehen die Brieftauben den normalen Stadttauben ähnlich. „Sie sind aber etwas kräftiger und athletischer gebaut als die Stadttauben“, erklärt Nisbach. „Schließlich vollbringen sie beeindruckende Leistungen.“ Sie fänden nämlich nicht nur über Langstreckendistanzen von bis zu mehr als 1000 Kilometer den Weg zurück nach Hause. Sie erreichten auch Geschwindigkeiten von durchschnittlich 70 bis 80 Stundenkilometer - bei günstigem Wind sogar bis zu 120 Stundenkilometer.

Diese Fähigkeiten werden von den Züchtern in Wettflügen zum Einsatz gebracht. „Dabei geht es darum, welche Taube es schafft, vom Startort - dem sogenannten Auflassort - am schnellsten wieder nach Hause zu fliegen“, erklärt Klaus Kühntopp vom Verband der Deutschen Brieftaubenzüchter in Essen. Ende Mai bis Ende Juli sei die Wettflugsaison für die Tauben, die ein Jahr alt oder älter sind und sich auf Streckenlängen bis zu 800 Kilometer, manchmal sogar über 1000 Kilometer steigern. Anfang August bis Mitte September würden dann die jüngeren Tiere eingesetzt, die zwischen vier und sechs Monate alt sind und kürzere Strecken zwischen 100 und 300 Kilometern fliegen.

Dafür müssen die Tauben, die über 20 Jahre alt werden können und ihre Hauptwettkampfzeit in den ersten 6 bis 7 Lebensjahren haben, dementsprechend trainiert werden. „Zunächst geschieht das über kurze Distanzen, damit die Tauben Kondition aufbauen können“, erklärt Kühntopp. „Das erste Training geht meist nur über 25 Kilometer.“

Wie viele Brieftauben sich Züchter halten, ist ganz unterschiedlich. „Für eine Zucht sollten aber wenigstens 50 Tauben angeschafft werden“, rät Kühntopp. Für die Haltung braucht man je nach Anzahl der Tiere entsprechend viel Platz. „Um einen Taubenschlag aufstellen zu dürfen, muss eine Baugenehmigung beantragt werden“, sagt Kühntopp. „In einem Wohngebiet kann das manchmal Schwierigkeiten bereiten, dann braucht man unter Umständen die Unterschriften der Nachbarn.“

Nicht alle Brieftauben finden allerdings wieder zu ihrem Schlag zurück. „Zwar gibt es über die Verlustraten keine genauen Zahlen, aber die Tiere können aus ganz unterschiedlichen Gründen auf der Strecke bleiben“, erklärt Fachreferentin Elke Deininger vom Deutschen Tierschutzbund in Bonn. „Oberleitungen können ebenso zu Verlusten führen wie Flüge über große Wasserflächen oder Langstreckenflüge, die die Tiere entkräften.“ Zudem könne es passieren, dass sie Greifvögeln zum Opfer fallen oder bei schlechter Wetterlage die Orientierung verlieren.

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