Selbsttest: Ein ganzer Tag ohne Strom

Auf elektrische Energie verzichten? Kaum vorstellbar. Unsere Autorin hat es dennoch versucht.

Köln. Ein Tag ganz ohne Strom — so lautet die Aufgabe. Das bedeutet erst einmal: Ein Tag ohne Handy. Natürlich hätte man den Akku aufladen können, aber das wäre ja geschummelt. Doch nicht nur das Handy ist tabu. Es muss auch ohne Kühlschrank, ohne Herd, ohne Fernseher, ohne Auto und ohne Straßenbahn gehen. Um mir den Test nicht gleich zu vermiesen, unternehme ich ihn an einem Samstag, denn als einziges Verkehrsmittel bleibt das Fahrrad. Von meinem Wohnort Köln nach Düsseldorf zur Arbeit zu strampeln — das erspare ich mir lieber.

Normalerweise würde der erste Griff zum Handy gehen: gucken, wie spät es ist. Das habe ich aber am Vorabend weggesperrt. Der Griff zum Mobiltelefon ist inzwischen so ein Automatismus — zu schade, wenn so ein Fauxpas das Experiment von Beginn an zerstört hätte.

Ein Glück, dass ich kein Kaffeetrinker bin, sonst würde mich der Koffeinentzug am Morgen wohl stören. Denn Kaffeemaschine und Herd sind natürlich tabu.

Nun geht es ab ins Bad. Noch nie sehnte ich mich mehr nach einem Tageslichtbad. So ohne Fenster ist es ganz schön düster. Es heißt Haarbürste, Zahnpasta und Co. ertasten. Und ein weiteres Gerät muss ich stehenlassen: die elektrische Zahnbürste. Glücklicherweise sind im Bad ein paar Ersatzzahnbürsten, so ganz analog, mit selber schrubben.

Das Schlimmste aber ist: Es gibt nur kaltes Wasser. Denn ohne Strom läuft der Boiler nicht. Brrrrr. Ich verstehe schon, warum sich Ludwig XIV. einfach mit Parfüm besprüht hat. Noch nie habe ich so schnell geduscht — und noch nie so ungern. Duschen im Dunkeln, da werden Szenen aus Psycho wach. Mindestens genauso unangenehm ist Haarewaschen ohne Föhnen. Dann habe ich halt einen Bad-Hair-Day. Nach dem Badezimmerdesaster wird das Schminken ins Helle verlegt.

Das Handy fehlt, schon allein als Uhrersatz. Schnell muss in den Untiefen der Schmuckschublade eine Uhr hergezaubert werden. Der Tag verläuft danach relativ entspannt, zum Einkaufen geht’s mit dem Rad. Da ich den Supermarkt nicht zwingen konnte, beim Experiment mitzumachen, gibt es gekühlte Lebensmittel. Zum Mittagessen wird Salat gezaubert und Brot. Was Warmes geht ja nicht.

Musik gibt es dabei nicht, der PC bleibt stumm. Und auch der Fernseher bleibt schwarz, keine Sportschau. Schade. Zum Glück habe ich einige Bücher im Regal noch nicht gelesen. Wenn es denn hell genug bliebe, am frühen Abend muss ich ein paar Teelichter anzünden. Endlich kommt das 100er-Pack, das in jedem guten Haushalt vergammelt, zum Einsatz.

Zum Abendessen gibt es wieder kaltes, langweiliges Brot — der Horror für eine Halbfranzösin, die als Kind dachte, nur arme Menschen essen „Abendbrot“.

Als Abendaktivität fallen das Kino oder Tanzen gehen aus. Ich bin mit einer Freundin verabredet. Also war ich zumindest gestern noch. Mögliche Absagen konnte ich leider nicht entgegennehmen — ohne Handy. Als ich vor dem Haus stehe, bekomme ich ein Problem. Eine Klingel funktioniert ja auch mit Strom. Mist. Ich rufe zweimal laut, aber das hört wohl keiner im dritten Stock. Bevor ein Nachbar die Polizei ruft wegen Ruhestörung, schummle ich — und drücke auf die Klingel.

Der Rest des Experimentiertages läuft gut: Statt Kölsch gibt es ein Glas Rotwein, den trinkt man ja warm — meine Freundin muss notgedrungen mit mir Strom fasten. Das Unterhalten macht aber auch ohne Handy und Laptop, die parat liegen, Spaß, sogar mehr als sonst. Denn ehrlich gesagt basieren ja viele Unterhaltungen auf Mutmaßungen, Fachsimpeleien und Halbwissen. „Hast du den neuen Tarantino-Film gesehen?“, „Wie heißt der noch mal?“. Oft kommt dann: „Warte ich google es kurz oder schaue bei Wikipedia nach.“ Ohne Strom darf stundenlang weiter gerätselt und debattiert werden.

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