Kapitaleinkünfte: Warum gibt es eigentlich Zinsen?

Mit dem bloßen Bereitstellen von Geld wird Geld verdient. In einer Marktwirtschaft hat das seinen Sinn.

Kapitaleinkünfte: Warum gibt es eigentlich Zinsen?
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Düsseldorf. Sind die Zinsen niedrig, schimpfen die Anleger, dass ihr Vermögen schrumpft. Kreditnehmer freuen sich. Sind die Zinsen hoch, ist es umgekehrt. Warum aber wird uns allen dieses Wechselspiel zugemutet, warum gibt es eigentlich Zinsen?

Die Frage beantwortet sich am anschaulichsten anhand eines Perspektivwechsels: Was wäre, wenn Zinsen verboten wären? Dann gäbe es keinen Anlass für Menschen, die Geld haben, dieses Geld zu verleihen — an die, die es brauchen. Denn warum sollen sie riskieren, es eventuell nicht zurückzubekommen, zum Beispiel, weil der Schuldner pleitegeht?

Dieses Risiko lässt sich der Gläubiger, sei es eine Bank oder ein anderer Kreditgeber, durch den Zins bezahlen. Und der Kreditgeber, jedenfalls wenn wir ihn uns als Privatmann vorstellen, hat den Zins auch aus einem anderen Grund „verdient“ — schließlich bringt auch er ein „Opfer“: weil er das Geld ja auch anderweitig anlegen könnte, etwa zu Konsumzwecken. Dies aber verkneift er sich und lässt sich das über den Zins bezahlen.

Aus Sicht des Schuldners ist der von ihm mit dem Zins erkaufte Kredit ein Kauf von Zeit: Er kann das gekaufte Gut, den Fernseher oder den Traktor, schon jetzt nutzen, obwohl er ihn erst später bezahlt. Der Konsum oder aber der wirtschaftliche Nutzen rechnet sich also für ihn, ist für ihn wertvoller als der bezahlte Zins.

Der auf diese Weise gegen das Zinsversprechen gekaufte Kredit hält die Wirtschaft am Laufen, weil er dem Kreditnehmer eine Investition erlaubt, die sich, wenn es gut läuft, für ihn auszahlt. Und auch für die bei ihm angestellten Arbeitnehmer. Wer darüber schimpft, sollte kurz innehalten: Wir sind selbst auch alle Gläubiger, die von den Banken oder Lebensversicherungsgesellschaften einen guten Zins für das von uns geliehene Kapital erwarten. Und wir zürnen, wenn es diesen — wie in den aktuellen mageren Zeiten — nicht gibt.

Die Europäische Zentralbank betreibt eine extreme Niedrigzinspolitik. Das heißt: Sie ermöglicht es den Geschäftsbanken, bei ihr zu einem sehr günstigen Zinssatz Geld zu leihen. Die Idee: Banken haben so ihrerseits die Möglichkeit, günstige Kredite zu vergeben — an Investoren, die die Wirtschaft in Schwung bringen. So richtig funktioniert das allerdings auch nicht immer.

Statt Kredite zu vergeben, legen die Banken es mit ihren Investmentabteilungen lieber selbst auf dem Kapitalmarkt an, lassen „Geld aus Geld entstehen“, wie es Aristoteles (siehe Infokasten) geißeln würde. Und gleichzeitig zeigt sich für den Sparer eine andere Misere: Wenn die Banken so günstig an Geld kommen, haben sie es nicht nötig, ihm hohe Zinsen zu zahlen.

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