Mehr, aber nicht genug Wohnungsbau kommt nur langsam in Schwung

Wiesbaden (dpa) - Für die Wohnungsnot in vielen deutschen Städten ist vorerst keine Linderung in Sicht. Der Bau von Häusern und Wohnungen kommt trotz Fortschritten nur schleppend in Fahrt.

Mehr, aber nicht genug: Wohnungsbau kommt nur langsam in Schwung
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Zwar wurden im vergangenen Jahr fast 285.000 Wohnungen errichtet, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden berichtete. Das sind 2,6 Prozent mehr als 2016 und so viele wie zu Beginn des Jahrtausends (2002) nicht. „Die im Jahr 2011 begonnene positive Entwicklung setzte sich somit fort“, erklärte die Behörde.

Doch um die starke Nachfrage nach Immobilien zu decken, sind nach Ansicht von Politik und Bauwirtschaft weit mehr nötig: Sie veranschlagen dafür jährlich 350.000 bis 400.000 neue Wohnungen. Jedoch können viele schon bewilligte Projekte gar nicht so schnell gebaut werden, wie die Zahlen der Statistiker ebenfalls zeigen.

Der Anstieg am Bau beruht zudem auch auf einem kräftigen Zuwachs bei Wohnheimen(+ 16,2 Prozent), zu denen Flüchtlingsunterkünfte zählen. Die Zahl der Wohnungen in Mehrfamilienhäusern (+ 6,7 Prozent) und Zweifamilienhäusern (+ 5,1 Prozent) wuchs deutlich schwächer. Bei Einfamilienhäusern gab es leichte Rückgänge und bei Wohnungen, die durch Bauten an bestehenden Gebäuden wie Aufstockungen entstanden, gar deutliche Einbußen (- 5,5 Prozent).

Die Daten sind ein Rückschlag für die Bundesregierung, die sich 1,5 Millionen neue Wohnungen in dieser Legislaturperiode zum Ziel gesetzt hat. Das wären 375.000 pro Jahr. Davon ist sie weit entfernt. „Knapp 285.000 Wohnungen sind eine Enttäuschung“, meint Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Er hatte wie viele Branchenexperten erwartet, dass der Neubau 2017 erstmals seit langem zumindest die Marke von 300.000 Wohnungen überschreitet.

Um die Wohnungsnot zu dämpfen, will die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag etwa den sozialen Wohnungsbau mit zwei Milliarden Euro fördern. Zudem erhalten Familien beim Kauf von Eigentum Baukindergeld - 1200 Euro pro Jahr und Kind für bis zu zehn Jahre.

Als Flaschenhals für den Wohnungsbau erweist sich aber nicht ein Mangel an Geld. Vielmehr werden weit mehr Wohnungen genehmigt, als auf die Schnelle gebaut werden können. Der Überhang stieg 2017 weiter auf gut 653.000 Wohnungen - der höchste Stand seit 1999. Der Stau wuchs erneut, obwohl die Zahl der Baugenehmigungen im vergangenen Jahr um mehr als sieben Prozent gefallen waren.

„Fehlendes Bauland ist das Nadelöhr“, meint IW-Experte Voigtländer. Die Politik solle besser Städte dabei unterstützen, neue Wohnviertel zu erschließen, etwa durch U-Bahn-Anbindungen. Auch die Bauwirtschaft schlägt in diese Kerbe. „Das knappe Bauland bremst in den Städten den Wohnungsbau“, kritisierte kürzlich Peter Hübner, Präsident des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie (HDB).

Allerdings stößt auch die Branche im Immobilienboom an ihre Grenzen. Baufirmen und Handwerker kommen in der Auftragsflut kaum noch hinterher. So verbucht die Bauindustrie einen Order-Bestand von 41 Milliarden Euro - das reiche für eine Produktion von vier Monaten. Und der Überhang bei noch nicht errichteten Wohnungen sei mehr, als binnen eines Jahres gebaut werden könne. Zugleich werden Baumaterialien teurer und Fachkräfte knapper.

Die Bauwirtschaft, die 2018 einen Rekordumsatz von 120 Milliarden Euro erwartet, rechnet immerhin mit deutlich mehr Wohnungsbau in diesem Jahr. Laut HDB-Präsident Hübner könnten bis zu 340.000 Wohnungen errichtet werden. Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) ist mittelfristig weniger zuversichtlich. Denn die Fertigstellungen folgten verzögert den sinkenden Wohnungsgenehmigungen. „Der Anstieg ist voraussichtlich nur noch von kurzer Dauer“, erklärte Präsident Andreas Ibel.

Als Hindernis bleiben zudem die hohen Auflagen, etwa zum Energiesparen, die das Bauen komplex und teuer machen. Und laut der Förderbank KfW spielen auch Spekulanten eine Rolle. Investoren holten gerade in Großstädten Baugenehmigungen auf Vorrat ein, setzten Projekte aber nicht um - in der Hoffnung auf steigende Preise.

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