Leben im Wolkenkratzer Höher, teurer, luxuriöser: Der Trend zum Wohnen im Turm

Frankfurt/Main (dpa) - Noch zeugen nur rote Eisengerippe davon, dass hier eine Riese in den Himmel wächst. Im Frankfurter Europaviertel zwischen Hauptbahnhof und Messe ragen die Kräne über der Baustelle des „Grand Towers“ in die Höhe, ein stetes Hämmern und Klopfen übertönt den Autoverkehr.

Leben im Wolkenkratzer: Höher, teurer, luxuriöser: Der Trend zum Wohnen im Turm
Foto: dpa

Wo erst wenige Stockwerke im Rohbau fertig sind, entsteht mit 172 Metern nach Angaben des Immobilienspezialisten JLL der höchste Wohnturm Deutschlands.

Das Projekt ist nur ein Beispiel für einen neuen Wohntrend in deutschen Großstädten: Bis 2022 sollen hierzulande 97 Türme mit 18 400 Wohnungen gebaut werden, wie Zahlen des Immobilienspezialisten Bulwiengesa zeigen. Davon entfallen alleine 27 auf Berlin und 24 auf Frankfurt. Es folgen mit Abstand München (17) und Düsseldorf (12). In einigen Türmen werden auch Teile der Fläche für Geschäfte und Hotels vermietet. Bei manchen Projekten fehlt noch die Bewilligung.

Früher hatten Wohnhochhäuser einen schlechten Ruf: Sie standen für Plattenbauten und soziale Brennpunkte am Stadtrand. „Noch vor ein paar Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, Wohntürme zu bauen“, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum. Anders als in amerikanischen Metropolen, wo Wolkenkratzer schon zum Ende des 19. Jahrhunderts Einzug erhielten, sind sie in Deutschland noch eine seltene Erscheinung.

Doch in den begehrten Großstädten mit zunehmend knappem Raum und immer höheren Immobilienpreisen finden Wohntürme auch hierzulande eine Klientel, die für mondänes Wohnen viel Geld bezahlt. „Das Image hat sich gewandelt“, sagt Sven Carstensen, Frankfurter Niederlassungsleiter bei Bulwiengesa. In Großstädten gebe es kaufkräftige Kunden und eine starke Nachfrage aus dem Ausland. „Reiche Chinesen sehen in deutschen Immobilien eine sichere Anlage.“

Das treibt die Preise: Wohnungen in Frankfurter Wolkenkratzern kosten laut Bulwiengesa im Schnitt 7000 Euro je Quadratmeter, für Luxus-Objekte können bis zu 19 000 Euro fällig werden. Die Mieten liegen um die 20 Euro je Quadratmeter. Dafür gibt es allerlei Annehmlichkeiten. Der Grand Tower etwa lockt nicht nur mit einem atemberaubenden Blick über die Stadt, sondern auch mit Concierge, 1000 Quadratmeter großem Dachgarten und Sonnendeck im 43. Stock.

Doch Wohntürme sind nicht überall erwünscht. „In Frankfurt mit seiner Skyline passen sie ins Stadtbild“, sagt Vornholz. In Köln dominiert hingegen der Dom die Stadtansicht. Und in München darf seit einem Bürgerentscheid kein Gebäude höher sein als die Frauenkirche. Überhaupt ist die deutsche Definition von Hochhaus - Gebäude ab 22 Meter - gemessen an den Riesen in Dubai oder Shanghai fast ein Witz.

Echte Hochhäuser mit einer Höhe ab 100 Metern sind hierzulande die absolute Ausnahme: Dazu zählen der „Gewa-Tower“ in Stuttgart (107 Meter), der „Upper Nord Tower“ (120 Meter) in Düsseldorf, der in der Planungsphase steckt, und der „Alexander“ am Berliner Alexanderplatz. Mit 150 Metern soll er laut dem Investor Monarch das höchste Wohngebäude der Hauptstadt werden. Indes fehlt laut Projektgesellschaft noch die Baugenehmigung.

Auch das zentrale Argument für Wohntürme - viel Wohnraum auf wenig Fläche - hat einen Haken: Selbst für Gutverdiener sind die Apartments kaum erschwinglich. „Wohntürme leisten keinen Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot“, sagt Vornholz. Einen relevanten Anteil am gesamten Wohnungsmarkt haben Wohntürme zudem selten. Spürbar ist er nur in Frankfurt: Dort werden bis 2020 rund 4000 Wohnungen in Türmen fertig - knapp ein Viertel aller Neubauten. Dort gibt es neben dem Grand Tower eine ganze Reihe Luxus-Projekten wie den neuen Henninger Turm, den Taunusturm oder das Westend-Ensemble.

Ansätze, um mit Wohntürmen viel bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, gibt es nur wenige. „Die Idee, Hochhäuser in billiger Lage am Stadtrand hochzuziehen, ist politisch kaum durchsetzbar und zu bezahlbaren Mieten schwer zu realisieren“, sagt Bulwiengesa-Experte Carstensen. Zwar gibt es Projekte, die eine Durchmischung mit günstigeren Wohnungen fördern. Doch dann müssen die restlichen Einheiten noch teurer sein.

Zumal die Kosten für Wohntürme ohnehin hoch sind. Mit der Höhe steigen die Ausgaben für Statik, Energieversorgung und Sicherheit. Ab 60 Metern sind in den meisten Landesbauverordnungen ein zweites Sicherheitstreppenhaus und separate Feuerwehraufzüge vorgesehen. Und tragende Bauteile müssen mindestens 120 Minuten Bränden widerstehen.

Die Baukosten für Wohntürme liegen daher auf vergleichbarer Basis zwischen 10 bis 15 Prozent über denen für traditionelle Mehrfamilienhäuser, zeigen Zahlen von JLL. Mit dem Brand im Londoner Grenfell Tower im Juni hat die Debatte um die Sicherheit von Wolkenkratzern noch neue Nahrung bekommen.

Dennoch dürfte sich der Trend zu Luxuswohntürmen fortsetzen. „Solange der Immobilienboom weiter geht, wird das Interesse der Investoren ungebrochen sein“, sagt Professor Vornholz. „Mit den Türmen lässt sich immens Geld verdienen.“

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